: Herr Langkofel der Popmusik
■ Hippie-Halbhochkultur für popgeschulte Kleinbildungsbürger / Phillip Boa, der Kantkopf mit den abstrusesten Sprüchen zur Bedeutung des Pop gastiert im Modernes / Federn auf schweißnasse Leiber
Es gibt Leute, die sollen auf der Seiser Alm Ski fahren. Gar sanft gleiten sie über die Bergwiesen, hier ein Schwung und dort einer - so ziehen sie ihre Spuren ins
seichte Gefäll und schauen beeindruckt von so vielen hübschen Bögen auf das einzig kantige der Gegend: den Langkofel. Ein Lieblingsberg, ein 3181-m-Schrat.
Der steht und schaut übers Dolomitengehückel wie weiland Hans Albers übers Meer.
Phillip Boa war einmal Herr Langkofel der Popmusik, einer,
der sanfte Melodien zerhackstückt hat wie der Alm-öhi sommers das Holz, und Freundin Pia Lund flocht mit bergfeenhafter Kieks-Stimme Kränze aus Blond
haar und wahrwissender Unschuld ums schräge Geschrammel. So standen sie, schauten, wurden darüber Eltern und Hausbesitzer und haßten sich lieb.
Die neue Platte heißt „Hair„, und damit fängt es an. Neben solch zarter Anspielung auf unsere Hippie -Vergangenheit findet der Kleinbildungsbürger noch die tragische Meisterschaft von Stockhausen und die Voodoo -Version von Ravels Eistanz-Bolero unter dem feingeistigen Titel Boleria.
Trotzdem erinnern aber bloß noch einige Takte und die wunderschönen Coverfotos von der Seiser Alm an die alte Langkofeligkeit der Boas. Der Rest ist ein einziges Ringen um DIE AUSSERGEWÖHNLICHE PRODUKTION.
Live (voll, Pogo, pfffhhhhhh) aber gehen dbdenProduktionsfeinheiten wieder koppheister den Bach runter. Blauviolettes Atlantis-Strahlen hinter der Bühne, filigranes Goldgemuster an den Lurexwänden, dazu Großstadtelfe Pia mit platinblondem Flusehaar und Alice-im -Wunderland-Stimme und Pop-Pfadfinder Phillip mit Sixties -Lackmantel und einer Art Zen-Dutt über der Stirn. Der turnt ständig hinter einem Gestell mit Metallscheibe herum, das gongt und bunte Lichter reflektiert und Herrn Boa die Ausstrahlung eines buddhistischen Derwisches verleiht, der das Gehopse vor der Bühne derweil souverän zu dirigieren versteht. Und wenn ihr ordentlich tanzt und die Texte so auswendig wißt, daß Ihr weitersingen könnt, wenn Boa mal husten muß, dann gibts als allerletzte Zugabe „Kill Your Ideals„. Und Federn auf Eure schweißnassen Leiber.
Boa auf der Bühne kriegt hiermit den Langkofelorden wieder an den Lackmantel gepappt. Petra Höfe
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