: Revolutionäres Zentrum für Charlottenburg?
■ Etwa 100 Leute besetzten das ehemalige Arbeitsschutzmuseum in der Fraunhoferstraße Umweltsenat will das Problem ruhig angehen / Unklarheit über Strafanzeige
Etwa Hundert Leute haben am Donnerstag abend das leerstehende ehemalige Arbeitsschutzmuseum in der Fraunhoferstraße in Charlottenburg besetzt. In einem der taz übermittelten Schreiben fordern die BesetzerInnen von den politisch Verantwortlichen die sofortige Instandsetzung des Gebäudes nach ihren Vorstellungen. Das Haus werde seit 18 Jahren nicht seinen Möglichkeiten entsprechend genutzt. Mehrere Ansätze alternativer Nutzung seien immer wieder gescheitert. Die BesetzerInnen wollen in dem Gebäude ein revolutionäres Zentrum aufbauen, in dem sich „antikapitalistische und internationalistische Gruppen organisieren“ sollen. An der Hausfassade wurden Transparente angebracht, die zur Solidarität mit den Hungerstreikenden aus der RAF auffordern.
Das etwa 90 Jahre alte Haus ist im Besitz der benachbarten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Nach Angaben des Leiters der Bundesanstalt, Günter Sauerbrey, sollen in dem denkmalgeschützten Gebäude künftig Prüfeinrichtungen und Laboratorien für Wärmemeßtechnik und medizinische Meßtechnik untergebracht werden. Entsprechende Bauplanungen würden derzeit erarbeitet. Anfang Dezember wurde das Gebäude der Senatsumweltverwaltung für eine Ausstellung des Landeskonservators zum Denkmalschutz in Berlin zur Verfügung gestellt. Die Ausstellung wurde nach Angaben des Sprechers der Umweltverwaltung gestern unterbrochen. Die BesetzerInnen hätten zugesagt, die Exponate der Senatsumweltverwaltung zu übergeben, teilte ein AL-Sprecher mit. Ferner hätten sie zugesichert, die Dachkonstruktion nicht anzutasten. Das Haus gelte bei Umbauten am Dach als einsturzgefährdet.
Die Umweltverwaltung will das Problem der Besetzung „mit der angemessenen Ruhe“ angehen, kündigte von Bargen gestern an. Die Behörde hat zur Zeit das Hausrecht. Die BesetzerInnen fordern für ihre Verhandlungen mit der Verwaltung die Einschaltung einer noch von ihnen zu bestimmenden Vermittlerin. Die inhaltliche und praktische Bestimmung des Projektes unterliege jedoch ihrer Autonomie. Dem Vernehmen nach wollen sich Vertreter des Senats in der Innenverwaltung zu einem Gespräch über die Besetzungsaktion treffen.
Widersprüchliche Meldungen gab es gestern zu der Frage, ob gegen die BesetzerInnen Strafanträge gestellt wurden. Nach Angaben der Polizeipressestelle gingen bei der Polizei Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ein. Vertreter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und der Senatsumweltverwaltung versicherten jedoch, keine Strafanzeige gestellt zu haben.
du/dpa
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen