piwik no script img

„Cyanid in den Köpfen der USA“

■ Traubenkrieg eskaliert / Anti-US-amerikanische Demonstrationen in Chile / Obstbauern beklagen bis jetzt 1,5 Milliarden Mark Exportausfall / Junta beschuldigt Kommunistische Partei

Santiago/Berlin (dpa/taz) - Nachdem am vergangenen Wochenende im Hafen von Philadelphia bei einer Stichprobe mit Cyanid injizierte Weintrauben aus Chile dingfest gemacht wurden, ist nunmehr der gesamte Obstexport des südamerikanischen Landes in Gefahr. Nach den USA haben jetzt auch Kanada, die EG und Japan entsprechende Einfuhrbeschränkungen verkündet. Nach Presseberichten in Buenos Aires wurden daraufhin in Chile bereits 16.000 Landarbeiter entlassen. Sprecher der Obstbauern verkündeten, daß möglicherweise 400.000 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Schon jetzt sei durch den Exportausfall ein Schaden von umgerechnet 1,58 Milliarden Mark entstanden.

Unterdessen nehmen die Beschuldigungen gegen die jeweils georteten Hintermänner der Nadeleinstiche an Schärfe zu. Admiral Jose Merino, dienstältestes Junta-Mitglied, machte „terroristische Kreise“ dafür verantwortlich. Es handele sich im übrigen um eine „amerikanische Gemeinheit“, die mit den „kommunistischen Gemeinheiten zusammengekocht worden“ sei. In einer Erklärung beschuldigte die Junta die Kommunistische Partei des Traubenattentats. Wer die Weintrauben vergiftet hat oder ob überhaupt ein Giftanschlag verübt worden ist, blieb auch am Donnerstag für ausländische Beobachter weiterhin unklar. Die von der chilenischen Regierung beschuldigte Kommunistische Partei hat Anzeige wegen Verleumdung gegen Innenminister Carlos Caceres erstattet und wies auf einen möglichen Desinfektionsfehler bei der Traubenreinigung hin.

Einige hundert Demonstranten haben in Santiago vor der US -Botschaft demonstriert mit den Parolen: „USA, warum wollt Ihr das Elend für unser Volk?“ und „Das Cyanid ist nicht in den Trauben, es ist in Euren Köpfen“.

General Pinochet faßte seinerseits allen Mut zusammen, aß in aller Öffentlichkeit auf einem Weinbauernhof einige Trauben und meinte anschließend, die gefundenen Mengen hätten kaum eine Maus töten können: „Die USA haben versucht, mit einem Panzer eine Fliege zu töten.“ Nach ebenfalls argentinischen Presseberichten hat sich derweil in den USA eine ultranationale Bewegung zur der Aktion bekannt. Chiles Landwirtschaftsminister Jaime de la Sotta ist am Dienstag zu einer Aufklärungskampagne in die USA gereist.

Obst ist eines der wichtigsten Ausfuhrprodukte Chiles. Nach einer Zentralbankstatistik stand 1988 die Obstausfuhr mit 1,08 Milliarden Mark an zweiter Stelle im Export. Trauben haben beim Obstexport in die USA einen Anteil von 40 Prozent.

-ulk

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen