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Wenn „Kanaken“ keine Wohnung bekommen

■ Das „Antirassistische Telefon“ ist Kontaktstelle für Fälle von rassistischem und diskriminierendem Verhalten gegenüber AusländerInnenn / Neben Beratung und Hilfe für die Anrufer auch Einleitung politischer Schritte

Seit zwei Wochen ist unter 861 94 22 das „Antirassistische Telefon“ zu erreichen. Täglich von 11 bis 17 Uhr, sonst mit Anrufbeantworter. Die taz sprach mit Peter Finger vom Regionalbüro der Grünen für Wirtschaft und Antirassismus, über die Funktion des „Antirassistischen Telefons“.

taz: Was soll das „Antirassistische Telefon“?

Peter Finger: Dieses Telefon dient zum einen dazu, den Rassismus und auch die Diskriminierung innerhalb der Gesellschaft in Berlin zu dokumentieren, zum anderen sollen daraus auch politische Schritte entwickelt werden und selbstverständlich auch den Leuten, die hier anrufen, persönlich geholfen werden. Das kann in verschiedener Form geschehen: Einmal, daß man Rechtsanwälte vermittelt, daß man konkrete Hilfe leistet, indem man Stadtteilinitiativen einschaltet, mit Beratungsstellen zusammenarbeitet.

Wie wird das Telefon genutzt?

Zum einen hauptsächlich von Deutschen, die fragen, in welcher Gruppe sie hier in Berlin Antifa-Arbeit machen können. Dann gibt es die verschiedensten Anrufe, zum Beispiel ist eine Meldung eines Palästinensers eingegangen, der in einer S-Bahn von einer Gruppe Skinheads angesprochen wurde, man hätte doch gemeinsame Interessen, man müßte doch etwas gegen die „Scheißjuden“ tun. Dem haben wir dann eine Adresse gegeben, an die er sich wenden konnte. Der zweite Fall war ein Anruf einer deutschen Ehefrau eines Türken, der von der Polizei festgenommen und zusammengeschlagen wurde. Das war ein richtiger institutioneller rassistischer Übergriff, eben weil er ein Ausländer war. Heute hat jemand angerufen, ein Pakistani, der bei einer Hausverwaltung angerufen hat, um eine Wohnung zu bekommen. Ihm wurde dann gesagt: „Für Kanaken haben wir keine Wohnung!“ Dann probieren wir, verschiedene Leute zu bitten - Deutsche und auch Ausländer - sich bei dieser Firma telefonisch zu melden und nach einer Wohnung zu fragen, um unter Zeugen nachzuprüfen, was passiert. In diesem Fall werden wir - wenn das zutrifft - an die Öffentlichkeit gehen. Und wir werden mit Initiativen gemeinsam versuchen, gegen diesen Wohnungsvermittler vorzugehen. Es gibt noch eine dritte Ebene, die rechtliche. Die ist natürlich am schwierigsten, weil wir bislang kein Anti-Diskriminierungsgesetz haben. Wir prüfen deshalb, ob wir über den Beleidigungsparagraphen im Strafgesetzbuch oder mit dem § 130, Volksverhetzung, etwas machen können.

Und in dem Fall mit dem Türken und der Polizei?

Wir haben erst einmal einen Rechtsanwalt vermittelt, weil das das Wichtigste war. Dann haben wir der Frau gesagt, was sie tun kann und daß der Mann unbedingt ins Krankenhaus und sich untersuchen lassen muß. Wir warten jetzt auf ein persönliches Gespräch hier und wollen dann sehen, wie wir weiter verfahren.

Habt ihr denn keine Angst, daß euer Telefon auch mißbraucht erden kann im Sinne von Denunziation - daß also Leute anrufen und sagen: Unser Hausmeister hat einen Schäferhund, das ist bestimmt ein Nazi?

Die Leute, die hier anrufen, mit denen werden Gespräche geführt, das heißt es wird auch überprüft. Erst danach wird überlegt, was man im Einzelfall machen kann, wie kann man demjenigen oder derjenigen weiterhelfen. Wo geht es über einen Einzelfall hinaus, wo muß man also wesentlich breiter politisch aktiv werden? Wo muß man unter Umständen auch gemeinsam mit Initiativen gegen diese Leute vorgehen? Das hat also überhaupt nichts mit irgendwelchen Denunziationen zu tun, ich weiß gar nicht, wie du auf diese Idee kommst?! Es kann natürlich sein, daß Leute, die aus irgendwelchen Gründen frustriert sind, Nachbarn einfach anschwärzen. So was kann man natürlich nie ausschließen, aber das in den Vordergrund zu stellen würde ich für absolut verfehlt halten, weil das eher die Ausnahme als die Regel ist.

Ich komme darauf, weil nach der Wahl so eine Art „Republikaner„-Paranoia in der Stadt herrscht und eben jemand, der eine Bomber-Jacke anhat, Schnürstiefel trägt und dann auch noch einen Schäferhund besitzt...

Nein, ich habe schon seit über einem Jahr versucht, dieses Telefon in Berlin zu etablieren. Für mich hat erst einmal der Wahlausgang überhaupt nichts mit den rassistischen Tendenzen zu tun.

Wie würdet ihr denn eine Information verwerten, wenn ich beispielsweise anrufe und sage: Ich habe den Eindruck, mein Nachbar, das ist auch so ein Nazi, der hat folgendes zu mir gesagt: ... Was würde mit einer mit so einer Information dann passieren?

In diesem Fall würde jemand mit demjenigen, wenn er das will, mit nach Hause gehen und würde versuchen, auch mit dem Nachbarn zu reden.

Interview: Frauke Langguth

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