: Ein bißchen Frieden
■ Senat weiter für friedliche Lösungen für besetzte Häuser / Bundesanstalt macht wegen Arbeitsschutzmuseum Druck / Verhandlungen über Nostitzstraße 49
Der rot-grüne Senat strebt weiterhin friedliche Lösungen für die drei besetzten Häuser in der Stadt an. Am Montag nachmittag trafen sich erneut Vertreter der Senatskoalition unter der Leitung des Regierenden Bürgermeisters Momper (SPD) zu einer Gesprächsrunde, auf der insbesondere über die Besetzung des ehemaligen Arbeitsschutzmuseums in der Fraunhofer Straße beraten wurde. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen sei noch nicht getroffen worden, teilte Senatssprecher Kolhoff anschließend mit. Während CDU -Generalsekretär Landowsky gestern behauptete, die „Sicherheitslage“ in Berlin habe sich „bereits zugespitzt“, erklärte Kolhoff, die „Zwei-Millionen-Stadt“ habe schwierigere Probleme zu bewältigen, als die Besetzungen.
Kolhoff erklärte die Besetzung in der Fraunhofer Straße zum „Testfall“ für die Koalitionsvereinbarung, derartige Konflikte friedlich zu lösen. „Auf niedrigerer Ebene“ will der Senat laut Kolhoff im Laufe der Woche über Verhandlungen beraten. Die von den BesetzerInnen als Vermittlerin benannte Monika Berberich will in den nächsten Tagen entscheiden, ob sie den Auftrag annimmt. Ob die ehemalige RAF-Gefangene vom Senat als Vermittlerin akzeptiert wird, sei noch nicht entschieden worden, sagte Kolhoff. Gegenüber dem SFB schloß Innensenator Pätzold (SPD) gestern eine Räumung nicht aus, falls Verhandlungen scheiterten.
Wie berichtet, wollen die Besetzer Innen in dem alten Fabrikgebäude ein „Revolutionäres Zentrum“ schaffen. AL -Vorstandsmitglied Ströbele, der dem besetzten Haus gestern einen Besuch abstattete, plädierte gegenüber der taz für ein „multikulturelles Zentrum“ und gegen Baupläne der Eigentümerin, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) (siehe Interview). Bis zum 31. März hat noch die von der AL-nominierte Umweltsenatorin Schreyer das Hausrecht. Ihr Sprecher von Bargen sagte gestern, „alternative Nutzungen“ zu den PTB-Plänen würden geprüft. PTB-Leiter Sauberschrey bekräftigte gestern gegenüber der taz die Absicht der Anstalt, Meßlaboratorien in dem Gebäude unterzubringen. Etwas anderes könne er sich „nicht vorstellen“. „Wir sind darauf angewiesen, ganz kurzfristig reinzukommen“, erklärte der Leiter der Bundesanstalt.
Die Anstalt müsse „Zustandsuntersuchungen vornehmen“. Senatssprecher Kolhoff meinte dagegen gestern, die Bundesanstalt solle nicht so tun, „daß alles so dringlich sei und sie das Gebäude übermorgen brauche. Laut Kolhoff soll mit den Umbauten erst in zwei Jahren begonnen werden. Sauberschrey sprach von einem geplanten Baubeginn Ende nächsten Jahres. Er schloß einen Strafantrag gegen die Besetzer Innen nicht aus.
Eine „friedliche Beendigung“ der Besetzung ist das Ziel von Bausenator Nagel (SPD) im Fall Nostitzstraße 49 in Kreuzberg. Es seien „Gespräche im Gange“ teilte Nagel gestern mit. Dem Vernehmen nach wird Baustadtrat Orlowsky (AL-nah) vermitteln. Das Haus soll nach Klärung der Eigentumsverhältnisse mit öffentlichen Geldern gekauft werden.
Die alten Mieter könnten zurückkehren,, falls sie das wünschten, erklärte Nagel. Wie berichtet, war in der Nostitzstraße 49 ein Instandsetzungs- und Modernisierungsverfahren (ModInst) ins Stocken gekommen; der bisherige Eigentümer hatte sich ins Ausland abgesetzt. „Fehlentwicklungen“ seien das, sagte der Bausenator gestern. Leerstehende Wohnungen in Häusern, die sich in einem „normalen“ Mod Inst-Verfahren befinden, genießen laut Nagel „nach wie vor den Schutz der Mietverträge und des Eigentums“. Die Mieter hätten die Wohnungen in diesen Fällen „nur zu Erleichterung der Bauarbeiten verlassen“, erläuterte Nagel. Im Fall Nostitzstraße geschah dies allerdings bereits Anfang 1987.
Im dritten derzeit besetzten Gebäude, dem Haus Marchstraße, Ecke Einsteinufer, soll auch nach dem Willen des Senat ein Projekt „für studentische Freizeitgestaltung“ entstehen. Auch Wissenschaftssenatorin Riedmüller-Seel (SPD) „unterstützt die Ziele der Studenten“, versicherte ihr Sprecher Wortmann gestern.
dpa/hmt/plu
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