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Klare Fronten in El Salvador

■ Die rechtsextreme „Arena„-Partei siegte bei den Präsidentschaftswahlen mit großem Vorsprung

Für den republikanischen US-Senator Mitch McConnel war die Präsidentschaftswahl „nicht friedlich, aber ein Erfolg“. Erfolgreich zumindest für Alfredo Cristiani, den Kandidaten der rechtsextremen Arena-Partei und zukünftigen Nachfolger des todkranken und gescheiterten Napoleon Duarte. Friedlich

-gewiß nicht für den holländischen Journalisten Cornel Lagrouw, der wie zwei seiner Kollegen von der Armee erschossen wurde.

Vor dem „Arena„-Hauptquartier wird gefeiert. Während die Mariachis aufspielen, fallen die Wahlhelfer der rechtsextremen Partei einander um den Hals. Keine zehn Jahre nach dem Reformputsch vom 15.Oktober 1979 ist es der salvadorianischen Oligarchie gelungen, die Macht zurückzuerobern. Nach einem vorläufigen Endergebnis hat der Kaffeemillionär Alfredo Cristiani bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag 59 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. Arena dürfte von der hohen Wahlenthaltung - etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten sind den Urnen ferngeblieben - profitiert haben.

Der Kandidat der regierenden Christdemokraten, Fidel Chavez Mena, erlitt mit knapp 35 Prozent der gültigen Stimmen eine empfindliche Schlappe, auch die „Convergencia Democratica“, die mit dem Sozialdemokraten Guillermo Ungo zum ersten Mal seit 1977 die Kandidatur eines Linken ermöglichte, verfehlte ihr Wahlziel von „mindestens 7 Prozent“ um mehr als die Hälfte. Es gelang ihr nicht einmal, sich als dritte Kraft zu etablieren. Obwohl die Convergencia in San Salvador alle Kleinparteien deutlich hinter sich ließ, lag die alteingesessene konservative Nationale Versöhnungspartei (PCN) in den Landgemeinden deutlich vor Ungo.

Der Zentrale Wahlausschuß wird das endgültige Ergebnis erst heute bekanntgeben. Ein Sprecher begründete die Verzögerung mit technischen Schwierigkeiten wegen des Stromausfalls im ganzen Land. Nach Angaben der FMLN ist es ihr gelungen, 80 Prozent der Stromversorgung und nahezu den gesamten Transportverkehr lahmzulegen.

„Ein wenig nervös“

Die Armee hatte alle verfügbaren Truppen zur Sicherung des Wahlganges abgestellt. Eine „Sicherung“ mit zweifelhaftem Erfolg: Der 30jährige niederländische Kameramann Cornel Lagrouw (siehe Porträt unten, d.Red.) wurde tödlich getroffen, als die Streitkräfte das von der Guerilla besetzte Dorf San Francisco Javier in der Provinz Usulutan, rund 90 Kilometer östlich von San Salvador zurückerobern wollte. Kollegen, die den Sterbenden in einem deutlich als Pressefahrzeug und mit weißer Fahne gekennzeichneten Jeep bergen wollten, wurden von der Luftwaffe 20 Minuten lang verfolgt und von einem Hubschrauber mit MG-Salven beschossen. Der 'Newsweek'-Fotograf Bill Gentile: „Wir dachten, sie wollen uns alle umbringen.“ Im Departement San Miguel starb Mauricio Pineda, Tontechniker des salvadorianischen Fernsehkanals 12, unter Maschinengewehrschüssen eines Soldaten des Bataillon Arce. Die Überlebenden bestreiten die von der Armee gelieferte Version, wonach die TV-Leute eine Straßensperre mißachtet hätten.

Schon am Vorabend der Wahlen hatten Truppen der Luftwaffe einen Fotografen der britischen Presseagentur 'Reuter‘, den salvadorianischen Staatsbürger Roberto Navas, erschossen. Sein Kollege Luis Galdamez, der schwer verletzt im Krankenhaus liegt, berichtete, die beiden seien nachts nahe der Luftwaffenbasis Ilopango gestoppt und eine Stunde lang aufgehalten worden. Die Soldaten hätten die Presseleute aufgefordert, ein Papier zu unterschreiben, auf dem sie sich schuldig bekannt hätten, alkoholisiert unterwegs gewesen zu sein. Sie hätten sich geweigert und schließlich auf ihrem Moped weiterfahren dürfen. Danach seien sie von hinten angeschossen worden. Im Pressekorps werden diese Anschläge als gezielte Einschüchterung verstanden. Bisher hat die Armee keine Erklärung für das Blutbad geliefert. Verteidigungsminister Vides Casanova meinte zur taz, man müsse verstehen, „daß die Truppen ein bißchen nervös sind“.

Offensive der FMLN

Seit Samstag abend hatte die FMLN in mehreren Landesteilen Stellungen der Armee attackiert. Die Bewohner der Hauptstadt wurden am Sonntag von Bombendetonationen geweckt, als die Armee nach einer Gruppe von Guerilleros fahndete, die ein Umspannwerk im nordöstlichen Vorort San Ramon angegriffen hatte. Gleichzeitig griff die FMLN nach eigenen Angaben 42 weitere Ortschaften an. In mindesten einem Fall wurde ein Militärlastwgen beschossen, der Wähler zu einem Stimmlokal beförderte. Dabei sollen mehrere Insassen verletzt worden sein. In Santa Ana, der zweitgrößten Stadt des Landes, die im relativ ruhigen Westen liegt, wurden Attacken im Morgengrauen gemeldet.

Die FMLN gab gestern bekannt, die Offensive sei „kein Boykott der Wahlen, sondern eine Demonstration des gegenwärtigen Kriegszustands des Landes“ und diene dazu, eine Verhandlungslösung voranzubringen. Laut General Vides Casanova konnte wegen der Kämpfe, die den Tod von mindestens 12 Guerilleros und sechs Militärs forderten, in mindestens sechs Gemeinden nicht gewählt werden. In weiteren 22 Gemeinden wurden erst gar keine Urnen aufgestellt, weil sie unter der Kontrolle der FMLN stehen. In rund aller Hälften der Gemeinden gibt es keine funktionierende Lokalverwaltung, und die Guerilla hatte in den letzten Monaten 120 Bürgermeister zum Rücktritt gezwungen. Die FMLN sieht in der Tatsache, daß der zentrale Wahlrat Ergebnisse aus Gemeinden genannt hat, in denen gar nicht gewählt worden ist, „einen Beweis des Wahlbetrugs“.

Mit ihrer Taktik der Wahlbehinderung reagierten die Rebellen auf die ablehnende Haltung von Regierung und Armee gegenüber ihrem Friedensvorschlag vom 23.Januar. Die FMLN hatte angeboten, die Wahlen zu respektieren und sich sogar an den Urnen mit den anderen Parteien zu messen, wenn genügend Zeit für die Schaffung demokratischer Voraussetzungen eingeräumt werde. Der Wahlgang sollte im September stattfinden, und alle Exilierten und Flüchtlinge sollten sich daran beteiligen dürfen. Ermöglicht wurde der Sieg der extremen Rechten durch das Scheitern der Christdemokraten, denen es weder gelungen ist, die Wirtschaft in den Griff zu bekommen noch den Krieg zu beenden. Der überwältigende Wahlsieg der Arena, mit dem sich die FMLN auseinandersetzen muß, ist nicht zuletzt dem kompetenten und gemäßigten Image zuzuschreiben, das der 41jährige Alfredo Cristiani der Partei zu verschaffen wußte. Der rechtsradikale Flügel um den ehemaligen Geheimdienstchef Roberto d'Aubuisson gibt aber im Hintergrund nach wie vor den Ton an. Und wenn die Guerilla die bedingungslose „Eingliederung in den demokratischen Prozeß“ - sprich Waffenniederlegung - nicht akzeptiert, werden wohl jene Militärs zum Zug kommen, die schon lange die zögernde Haltung der Armeeführung kritisieren. Die Attentate gegen die Journalisten könnten ein Vorgeschmack sein.

Aus San Salvador Ralf Leonhard

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