: BKA informierte britische Experten
■ Lockerbie: BKA gab fünf Wochen vor Absturz Informationen über Sprengstoffradio an Experten und Fluggesellschaften weiter / In Bonn keine Anhaltspunkte über lybische Terroristen
Bonn/Berlin (ap/taz) - Das Bonner Innenministerium hat sich am Montag ins Verwirrspiel über die Hintergründe des Absturzes eines US-amerikanischen Jumbo-Jets über der schottischen Ortschaft Lockerbie am 21. Dezember letzten Jahres eingeschaltet. Bereits fünf Wochen vor dem Bombenanschlag, bei dem 270 Menschen starben, will das Bundeskriminalamt (BKA) britische Experten und internationale Fluggesellschaften in allen Einzelheiten über einen mit Sprengstoff präparierten Radiorekorder informiert haben. Der Sprecher des Bonner Innenministeriums, Roland Bachmeier, sagte am Montag, Mitte November sei bei einer Sonderkonferenz von Sprengstoffexperten ein Ende Oktober bei Mitgliedern der Organisation „Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando“ (PFLP-GC) in Neuss gefundenes Sprengstoffradio vorgeführt worden. Ein derartiger mit dem Plastiksprengstoff Semtex und zwei Zündvorrichtungen versehener Radio-Kassettenrekorder soll in dem PanAm-Jumbo „Maid of the Sea“ explodiert sein, was zum Absturz des Flugzeugs führte.
Der Sprecher des Innenministeriums wies zugleich britische Zeitungsberichte vom Wochenende zurück, ein als „der Professor“ bei den Fahndern international bekannter libyscher Terrorist habe von der iranischen Botschaft in Bonn aus den Anschlag auf den Pan-Am-Jumbo organisiert. In bundesdeutschen Sicherheitskreisen hieß es, bei dem Bericht der Londoner Sonntagszeitung 'Sunday Express‘ handele es sich offenbar um ein Manöver zur Ablenkung von Versäumnissen der britischen Behörden.
Vom US-amerikanischen Fernsehsender ABC wurde der britischen Regierung außerdem vorgeworfen, nicht nur die Warnung zu spät in Umlauf gebracht zu haben, sondern Informationen über die Täter zurückzuhalten. Großbritanniens oberster Flugsicherheitsexperte Jim Jack hatte die dringende Warnung zwar am 19. Dezember eingetütet. Statt sie durch einen Sonderboten austragen zu lassen, gab das Verkehrsministerium die Warnbriefe bei der während der Weihnachtszeit hoffnungslos überlasteten Post auf. Das Ergebnis: Das Londoner PanAm-Büro erhielt die Warnung vier Wochen nach dem Absturz des Jumbos.
Die schlechte Informationspolitik der Regierung Thatcher zu den vorliegenden Erkenntnissen über die Täter beklagte auch die britische Opposition. Der Labour-Abgeordnete David Young erklärte: „Es wird immer klarer, daß nicht alles, was bekanntgegeben werden könnte, auch bekanntgegeben wird.“ Der zuständige Verkehrsminister Channon weigerte sich jedoch bis zur Stunde, vor dem Unterhaus eine Erklärung abzugeben.
mf
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