: Schulschließungen vor neuer Runde?
■ In internem Behördenpapier kommen die Schulzentren Walle und Bördestraße schon nicht mehr vor / Schulleiter rechnet trotz offizieller Galgenfrist bis 1992 noch in diesem Jahr mit endgültiger Entscheidung / Angst vorm Ansturm aufs Bilinguale
Die nächste Schulschließ-Runde kommt bestimmt. Der Qualm über Bildungssenator Frankes „Schulstandortkonzept 88“ (STEP) hat sich kaum verzogen, da kündigt sich schon die nächste Kontroverse um überflüssige und unverzichtbare Bremer Schulen an. Darauf läßt jedenfalls ein bislang behördeninternes Papier mit der Überschrift „Zentrales Integrationsmodell“ schließen. Auf einer Graphik faßt das Papier alle zwölf Bremer Sek. II-Zentren mit berufsbildenden Zweigen zusammen - bis auf zwei. Offenkundig nachträglich wurden die Schulzentren Bördestraße und das Schulzentrum Walle aus dem Plan herausgelöscht. Wo die beiden Schulen nach der inneren Logik des Plans ursprünglich einmal gestanden haben müssen, gähnen in seiner Endfassung zwei weiße Flecken.
Beide Flecken machen Sinn, denn bei den Schulzentren Walle und Bördestraße handelt es sich zufällig exakt um jene Schulen, die Franke eigentlich schon in der letzten Schließungsrunde dicht machen wollte. Nach heftigen parteiinternen und öffentlichen Debatten endete der Konflikt schließlich mit einer Galgenfrist für beide Schulen. Zumindest bis 1992 sollten sie erhalten bleiben. Dann sollte neu nachgedacht werden.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und mit dem Nachdenken
hat die Behörde anscheinend schon jetzt klammheimlich angefangen, wie die löchrigen Skizzen über die Bremer Schullandschaft der Zukunft zeigen. Werner Tauke, Schulleiter am SZ Bördestraße, rechnet denn auch damit, daß noch in diesem Jahr die Entscheidung fallen wird, ob seine Schule das Jahr 1992 überleben wird. Frankes Zusage, das Schulzentrum Bördestraße einstweilen zu erhalten, waren für Tauke in erster Linie „Maßnahmen zur politischen Gesichtswahrung“. Dennoch: Ganz schwarz sieht Tauke für seine Schule nicht - trotz des weißen Flecks anstelle seiner Schule in den Behördenpapieren. Das Sek-II-Zentrum Bördestraße ist bislang die einzige in Bremen, die sich fachpädagogisch geschult um die speziellen Probleme von Aussiedler-Kindern kümmert. Taukes heimliche Hoffnung: Die wachsende Beliebtheit Bremens bei polnischen Aussiedlern könnte zum Rettungsanker seiner Schule werden. Außerdem will Tauke sich gründlich um die Festigung des „beruflichen Standbeins“ seiner Schule kümmern. Im arbeitsteiligen System der 12 Bremer Sek.-II-Zentren kümmert sich die Börde straße bislang um angehende Kaufmänner und -Frauen und um Verwaltungsexperten. Tauke: Allein mit unserem gymnasialen Zweig wären wir politisch nicht überlebensfähig.
Bildungssenator Franke selbst wollte von Spekulationen über eine erneute Schulschließungsrunde gestern nichts wissen: „Ein Papier meiner Behörde, das nach der endgültigen Verabschiedung von STEP entstanden ist und in dem die Schulzentren Walle und Bördestraße nicht mehr vorkommen, ist mir nicht bekannt.“ Offiziell gilt für Franke nach wie vor seine Zusage zum Abschluß der STEP-Debatte vom letzten Jahr : Walle bleibt, über die Börde straße wird 1992 geredet.
Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen sich die SPD -Bildungsdeputierten erstmals offiziell mit der Neuordnung von Allgemein- und Berufsbildung in der Sekundarstufe II beschäftigen.
Eine ihrer Hauptsorgen: Der unerwartete Ansturm auf das Bilinguale Gynmnasium. Nachdem aus allen Bremer Stadtteilen insgesamt 268 SchülerInnen partout aufs Bilinguale Gymnasium wollen, sehen die SPD-Deputierten doppelt schwarz für die Sek.-II-Zentren in ihren eigenen Stadtteilen. Wenn den angesichts rückläufiger SchülerInnenzahlen ohnehin schon ausgedünnten gymnasialen Oberstufen weitere SchülerInnen weglaufen, so die Sorge der sozialdemokratischen BildungspolitikerInnen, ist die nächste Schließungsrunde schon jetzt abzusehen. Aus Walle und Bremen-Nord, wo die umkämpf
ten SZ Lange Reihe und Bördestraße ihren Sitz haben, wollen allein 29 bzw. 23 Elternpaare ihre Sprößlinge trotz des weiteren Wegs ins Bilinguale Gymnasium
schicken. Prophylaktisch werden in der SPD deshalb schon jetzt Forderungen laut, auch an normalen Schulzentren „bilinguale Bildungsgänge“ einzurichten.
Die neue Lust an der Elite-Bildung soll dadurch nicht nur den traditionellen Gymnasien zugute kommen.
K.S.
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