: „Radikale Verbotsforderung ist undurchsetzbar“
■ In Berlin wird kräftig gentechnologisch manipuliert / AL-Studie stellt Arbeitsweise und Forschungsziele aller beteiligten Institute vor / AL will Anträge stellen, um gegen die gentechnische Gefahr vorzugehen / Biowaffenforschung am Robert-Koch-Institut?
„Die Gentechnologie beinhaltet ein Katastrophenpotential, das der atomaren Gefahr in nichts nachsteht.“ Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der AL-Fraktion im Abgeordnetenhaus, spricht harte Worte, um die Studie Genforschung in Berlin: Der Alltag hat schon begonnen vorzustellen. Mit großer Detailliebe hat der Autor, der Sozialwissenschaftler Bernhard Gill, aufgelistet, nachgehakt und in Zusammenhang gebracht, wer in dieser Stadt zu welchem Zweck an Genen manipuliert und wer das alles bezahlt. Allein 47 gemeldete Institute, die sich im weitesten Sinne mit Genforschung beschäftigen, gibt es in Berlin, darunter auch eine Arbeitsgruppe der Polizei, die sich ausschließlich mit genetischen Fingerabdrücken befaßt. Am fleißigsten forscht die Freie Universität, die beispielsweise an ihrem Institut für Genbiologische Forschung und im Institut für Mikrobiologie den Welthunger bekämpfen will, indem sie Gene auf Pflanzen überträgt, die sie gegen Schwermetalle und Unkrautvernichtungsmittel resistent machen sollen. Auch in einem so harmlos klingenden Institut der Technischen Universität wie das für Fermentation und Brauwesen wird an einer giftresistenten Bierhefe gearbeitet, um die Bierherstellung nicht dem Diktat kostspieliger Hygienevorschriften unterwerfen zu müssen. Schätzungsweise 160 Millionen Mark sind in Berlin 1987 für gen-technische Forschung an Universitäten und privatwirtschaftlichen Unternehmen ausgegeben worden, inklusive Haushaltstitel und Drittmittel der großen Vergabefonds für Berlin.
Weniger hart, als die gentechnologische Gefahr anfangs definiert wurde, will die AL, so Berger, dagegen vorgehen. Eine radikale Verbotsforderung sei nicht durchzusetzen, da zunächst geklärt werden müsse, was Gentechnologie überhaupt ist. So sei beispielsweise ein Moratorium von mindestens fünf Jahren für die geplante Freisetzung von gentechnisch manipulierten Senfpflanzen geplant. Auch müsse im Rahmen der Laborsicherheit eine garantierte Null-Emmission mit Hilfe einer Gesetzesinitiative gewährleistet werden. Zu diesem Zweck solle auch geprüft werden, ob bestehende Vorschriften wie beispielsweise das Bundesseuchengesetz strenger angewendet werden könnte. Die Einsetzung einer Gentechnikbeauftragten „mit voller Akteneinsicht an allen Instituten“ wäre zudem hilfreich, um Transparenz in die lautlose Forschung zu bringen. Obwohl die Forderung nach einer Null-Emmission konsequenterweise ein Verbot der gentechnologischen Forschung nach sich ziehen müßte, wird ein prinzipielles Verbot jedoch nicht in Betracht gezogen. Lediglich die Forschungsziele sollen neu definiert werden.
Wenn Ziele jedoch geheim gehalten werden, nützt allerdings auch keine Neudefinition. Bernhard Gill stellte im Laufe seiner Nachforschungen auch fest, daß das amerikanische Verteidigungsministerium im Rahmen seines Biowaffen -„Verteidigungs„-Programms einen Vertrag mit dem Robert-Koch -Institut, das zum Bundesgesundheitsamt gehört, unterhält. Fündig wurde Gill durch eine Gerichtsakte (Civil Action No. 86-2436), die anläßlich eines Prozesses erstellt wurde, den der US-Genkritiker Riffkin angestrengt hatte, um in Erfahrung zu bringen, welches die Ziele, die untersuchten Organismen und die Vertragspartner des Pentagon-Programms sind. Aus dieser Akte ging jedoch nicht hervor, welche konkreten Inhalte die Übereinkunft zwischen Pentagon und Robert-Koch-Institut hat. Nachfragen hätten, so Gill, nur ergeben, daß Forschungen zu Bakterien- und Proteintoxinen unterstützt worden seien. Beides wäre durchaus auch als Verteidigungsinstrument nutzbar.
Nach dem Vier-Mächte-Status ist jedoch jede militärische Forschung in Berlin verboten. Auf taz-Nachfrage dementierte die Pressesprecherin des Bundesgesundheitsamtes, Dr.Lukassowitz, jegliche Verbindung des Robert-Koch -Institutes mit dem Pentagon. „Vermutlich ist das Robert -Koch-Institut in Dakkar (Senegal, d. Red.) gemeint“, so Frau Lukassowitz. Allerdings gibt es dort, so Christian Sternberg vom Gen-Ethischen Netzwerk, nur ein Pasteur -Institut. Ein Robert-Koch-Institut ist nur in Berlin zu finden.
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