: Kampagne gegen neue Nachrüstung
Friedensbewegung will Protestkampagne gegen sogenannte Modernisierung organisieren / Höhepunkt: Bundesweite Demonstration zum Besuch Gorbatschows mit Kirchentag in Berlin im Juni ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Vom Sekt zurück zur Selters - der Abrüstungsrausch der Friedensbewegung nach dem INF-Vertrag ist verflogen; statt der erhofften „Abrüstungsdynamik“ steht neue Aufrüstung auf der Tagesordnung. Nachdem die Herbstaktionen des vergangenen Jahres noch stark von der Krise der Bewegung geprägt waren und wenig Öffentlichkeit fanden, sollen die Kräfte nun gebündelt werden in einer Kampagne gegen die „Modernisierung“: gegen neue atomare Kurzstreckenwaffen, Atomgranaten und atomare Abstandswaffen für Flugzeuge.
Die „Veto-Kampagne“ beginnt mit einer bundesweiten Unterschriftensammlung, die die Bundesregierung auffordert, bei den kommenden Nato-Sitzungen ein Veto gegen die „Modernisierung“ einzulegen. Zur Demonstration in Brüssel am 16. April anläßlich der Tagung der Nuklearen Planungsgruppe werden auch Westdeutsche und -berliner reisen; vor dem entscheidenden Nato-Gipfel, voraussichtlich Ende Mai, soll im Bundestag über das Veto namentlich abgestimmt werden. Höhepunkt der Kampagne soll eine bundesweite Demonstration in Berlin am 10. Juni werden: Am Vorabend des Gorbatschow -Besuchs und in Verbindung mit dem Kirchentag in Berlin wird „an der Nahtstelle der militärischen Blöcke“ die „Modernisierung des Denkens“ gefordert: Abrüstung als „einzig angemessene Antwort auf die sowjetischen Initiativen“. Es wird bereits spekuliert, daß diese Demonstration vom Senat regierungsamtliche Unterstützung erfahren könnte, obwohl man Berlins Regierenden Momper nicht unbedingt an der Spitze der Bewegung sehen möchte. Unklar ist bisher, ob die DDR-Behörden dem Wunsch des Koordinierungsausschusses nachkommen, die Anreise nach Berlin per Bahn und Bus zu einer „Friedensfahrt“ mit „Kontakten zur Bevölkerung“ zu machen. Die gesamte Kampagne soll am 8. und 9. April in Köln beraten werden.
Ob es mit diesem Fahrplan gelingt, tatsächlich eine Bewegung gegen die neue Nachrüstung in Schwung zu bringen, ist unter den aktiven Friedensgruppen nicht unumstritten. Die Bundesregierung wird sich von dem Vetoappell wenig beeindrucken lassen, zumal selbst seine Initiatoren nicht davon ausgehen, daß diese Unterschriftensammlung die Breite des „Krefelder Appells“ erreichen könnte. Gewaltfreie Aktionsgruppen bereiten sich bereits auf Blockadeaktionen an den Standorten der „Modernisierung“ vor. Sie beginnen Anfang Mai in Großengstingen - und manche hoffen, daß von diesem Ort ähnlich wie 1982 wieder ein Blockadeboom seinen Anfang nehmen könnte.
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