piwik no script img

Maßlosigkeit beim Export

■ Giftgas für Libyen - U-Boot-Baupläne und Know-how für Atombomben nach Südafrika

Zunächst bestand Grund zu der Annahme, alles nehme auch in diesem Fall seinen normalen, Bonn-bürokratischen Gang: Gerade war es um die Nuklearexporte nach Pakistan ein wenig still geworden, da erschreckten Meldungen und ärgerliche Dementis um den Export einer Giftgasfabrik nach Libyen. Was diesem Skandal seine außergewöhnliche Dynamik verlieh, war aber gerade nicht, daß hier der Export von Technologie aufgedeckt wurde, die zum Massen- und Völkermord geeignet ist. Denn regierungsamtliche Stellen wie auch der Großteil der Medien reagieren seit Jahren äußerst zurückhaltend bis dickfellig, wenn es beispielsweise um die atomare Aufrüstung des südafrikanischen Apartheid-Regimes mit Hilfe bundesdeutscher Technologie-Exporte geht.

Bis zum heutigen Tag hat es die Bundesregierung auch geschafft, dafür zu sorgen, daß der Ausschuß des Bundestags zur Untersuchung der U-Boot-Affäre wichtige Dokumente nicht erhält. Der Druck der Opposition im Bundestag und auch der Solidaritätsbewegung reicht offensichtlich nicht aus, die Regierung zum Eingeständnis ihrer Verstrickung in ein Waffengeschäft zu zwingen, an dem sie vermutlich noch weit direkter beteiligt war als im Fall der Giftgasfabrik in Rabta.

Das unterschiedliche Niveau veröffentlichter Aufregung, die plötzliche Furcht des Wirtschaftsministers vor Imageverlust, die wenn auch zögerlich einsetzende Bereitschaft, die beschämenden Tatsachen und Versäumnisse schließlich einzugestehen, sind zweifellos zurückzuführen auf die nachdrückliche Intervention der US-Regierung. Der scheidenden Reagan-Administration ging es um eine letzte Züchtigung des verhaßten Regimes von Gaddafi, vielleicht auch um ein Ablenken von der eigenen C-Waffenproduktion angesichts der Pariser Konferenz gegen diese menschenfeindliche Waffenart. Die Aufrüstung des Apartheidregimes hatte ihr dagegen lange Jahre gut ins Konzept des „konstruktiven Engagements“ gepaßt, das die Destabilisierungspolitik der Rassisten deckte und sie faktisch zu Verbündeten Washingtons machte.

Im südlichen Afrika hat das Prinzip lascher oder völlig fehlender Kontrollen und selbst aktiver Förderung der Exporte von Waffen und militärisch verwendbarer Technologie wesentlich dazu beigetragen, dem Apartheidregime die Mittel zum atomaren Völkermord an die Hand zu geben. Die Komplizen haben den Rassisten so die Gelegenheit verschafft, den eigenen Untergang zur regionalen Katastrophe im südlichen Afrika zu machen.

Diese real existierende Gefahr ist das Ergebnis einer jahrelangen, regierungsamtlich geübten Mischung aus offenkundigen Lügen und Irreführen der Öffentlichkeit der Bundesrepublik, gepaart mit der kurzsichtigen Wahrung von Exportinteressen.

Reinhart Kößler, Informationsdienst Südliches Afrika 1989

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen