: Sanktionsgewinnler BRD
„Als Handelspartner Nummer eins müssen die Deutschen wohl etwas besser lernen, was hier wirklich los ist“, kommentiert Audrey Coleman, Mitarbeiterin in einer Gruppe zur Unterstützung von Häftlingen, die Auswahl der deutschen Botschaft als Zufluchtsort. „Wenn die Deutschen nun aus eigener Erfahrung lernen, worum es beim System der Inhaftierung ohne Verfahren geht, welche Leute da hinter Gittern verschwinden, dann ändern sie vielleicht ihre Einstellung zu Südafrika.„
Die politischen Flüchlinge, die in der bundesdeutschen Botschaft in Pretoria Zuflucht gesucht haben, machen mit ihrer Aktion auch auf das doppelzüngige Verhältnis zwischen der BRD und Südafrika aufmerksam. Diplomatisch mag die Bundesregierung sich zu Druckmaßnahmen durchringen, beispielsweise mit der in nächster Zeit erwarteten Einführung des Visumzwangs für Besucher aus Südafrika. Aber die wirtschaftliche Liaison des „Exportweltmeisters“ mit dem Apartheidstaat könnte kaum inniger
sein. Nach Ablauf des Jahres 1988 steht fest, daß die Bundesrepublik nun mit Abstand der größte Handelspartner Südafrikas ist. Während Japan, das diese peinliche Führungsstelle seit 1986 innehatte, seinen Handelsdrang zügelte, profitierten westdeutsche Firmen von dem Rückzug der Konkurrenz aus dem Apartheidstaat. Um ein sattes Drittel ist das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern gestiegen, von 3,81 Milliarden Dollar 1987 auf 5,06 Milliarden im letzten Jahr. Japan, das nun an zweiter Stelle als Handelspartner Südafrikas steht, hat seinen Handel mit 3,5 Prozent auf 3,98 Milliarden Dollar gesenkt.
Südafrika hat in den letzten beiden Jahren einen leichten Wirtschaftsaufschwung verzeichnen können - trotz Sanktionen und Problemen bei der internationalen Kreditbeschaffung. So haben die Ausfuhren aller Industriestaaten in den Apartheidstaat zugenommen. Doch die Bundesrepublik hat dabei alle anderen weit hinter sich gelassen. Um ganze 30,7 Prozent stiegen die Ausfuhren in den Apartheidstaat auf 3,33 Milliarden Dollar (2,55 Milliarden Dollar im Vorjahr). Besonders stark an diesen Exporten war die Automobilbranche beteiligt. BMW, Daimler-Benz und Volkswagen, die alle Zweigwerke am Kap haben, haben ihre Exporte um 62,8 Prozent gesteigert. Autoteile machen mehr als ein Drittel (35,8 Prozent) der Gesamtexporte aus.
Dabei profitieren die Deutschen direkt von der Zurückhaltung Japans, das seinen Autoexporten nach Südafrika eine Obergrenze gesetzt hat. „Es gibt schon Verzögerungen in der Produktion wegen der Begrenzung der Zahl von Bausätzen, die wir importieren können,“ sagt der Manager von Toyota in Südafrika, Henk Maree. Indessen konnte VW 1988 mit überdurchschnittlichen Verkaufssteigerungen von 22,5 Prozent prahlen - der Durchschnitt lag in der Branche bei 15 Prozent.
Noch stärkere Zuwächse zeigten allerdings die Einfuhren von Gütern aus Südafrika in die BRD. Während Japan hier einen Rückgang von 14,5 Prozent auf 1,93 Milliarden Dollar zustande brachte, verschlangen 1988 deutsche Banken südafrikanisches Gold, deutsche Verbraucher südafrikanisches Obst und die deutsche Industrie südafrikanische Metalle, um Einfuhren von 1,73 Milliarden Dollar zu verursachen, ganze 38,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Goldimport wurde mehr als verdoppelt, Obst wurde fast ein Drittel mehr genossen (trotz der Kampagne: „Kauft keine Früchte aus Südafrika“) und bei den Metallen ging's mit etwa 45 Prozent in die Höhe. Die Japaner unterhalten hingegen keine diplomatischen Beziehungen zum Apartheidstaat mehr, gewähren keine Kredite und untersagen direkte Investitionen. Sie bemühten sich sehr, das Stigma der wichtigsten Stütze des Apartheidsystems loszuwerden. Die USA hatten schon 1986 nach der Verhängung von umfassenden Sanktionen ihre Handelsbeziehungen so scharf beschnitten, daß das Gesamtvolumen des Handels zwischen USA und Südafrika weniger als die Hälfte des Umfangs von 1984 betrug. Die BRD hat indessen verlorene Märkte wieder aufgeholt - das Volumen 1988 lag über dem von 1983.
Sprecher der Bundesregierung haben in der Sanktionsdiskussion bisher immer betont, daß Embargos gegen Südafrika strikt eingehalten werden, zum Beispiel das UNO -Waffen- und -Erdölembargo und die Handelseinschränkungen der EG. Wie sorgfältig da vorgegangen wird, zeigt die U-Boot -Affäre: nach deutschen Plänen wird Südafrika neue U-Boote bauen. Und erst nach internationalen Protesten wurde im Januar der Export eines zweiten Radarlenksystems verhindert, das zur Kontrolle von Raketen genutzt werden könnte. Ein solches System konnte Messerschmidtt-Bölkow-Blohm jedoch nach Südafrika liefern, bevor Alarm geschlagen wurde.
Um das Erdölembargo zu umgehen, wird in Südafrika Kohle verflüssigt. Das Know-how stammt von einer bundesdeutschen Firma. Zusammen mit anderen hilft sie beim Aufbau des größten Entwicklungsprojekts Südafrikas in den nächsten Jahren, dem „Mossel Bay Gas Projekt“. Große Gasvorkommen vor der Küste des Landes sollen verflüssigt werden. Etwa fünf Milliarden Mark stehen in dem Mammutprojekt zur Verfügung. Auch bei dieser Umgehung des Ölembargos verdienen sich deutsche Firmen goldene Nasen. Linde hat einen Großauftrag für Kühlanlagen an Land gezogen. Und Klöckner-Humboldt-Deutz wird für 1,5 Millionen Mark elektrische Generatoren herstellen.
Auch im Nuklearbereich kann Südafrika mit Hilfe aus der BRD rechnen, wenn es um die Beschaffung von Nukleartechnologie und schwerem Wasser geht. Beliebt ist Südafrika vor allem auch bei deutschen Touristen. 1988 kamen 65.346 Reisende aus der BRD ans Kap, eine Zuwachsrate von 16,2 Prozent. Nur die Besucher aus Großbritannien übertreffen die Deutschen. Insgesamt brachten ausländische Besucher etwa 1,2 Milliarden Mark an Devisen nach Südafrika.
Hans Brandt, Johannesburg
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