piwik no script img

„Besetzungen vom SFB inszeniert“

■ Reaktionen auf Räumung besetzter Häuser / Die Rechte schäumt / AL-Abgeordnete spricht vom „Versagen der Koalition“

„Wir haben die erste Runde verloren!“ bilanzierte die AL -Abgeordnete und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Hilde Schramm, gestern am Tag nach den Räumungen der besetzten Häuser. Den Beschluß, die Polizei einzusetzen, wertete sie als „erstes Versagen der Koalition“. Ihrer Meinung nach hätte man den Besetzern nach Diskussionen klarmachen können, daß es keinen Grund gebe, Häuser zu okkupieren, die sich in einem Modernisierungsprogramm befänden. Über die Räumung des Hauses, daß eindeutig als Spekulationsobjekt zu betrachten sei, zeigte sich Schramm gar „deprimiert“. „Daß so schnell gehandelt wurde, lag an der großen Angst der SPD vor weiteren Besetzungen“, erläuterte sie.

Ganz anderer Auffassung als Hilde Schramm ist Otto Schily: Er bezeichnete die Hausbesetzungen „durch sogenannte autonome Gruppen“ gestern als „offene Kampfansage an die rot -grüne Koalition“. Es falle auf, daß die Hausbesetzungen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt stattfänden, zu dem der neue Senat erst wenige Tage im Amt sei, klagte Schily. In Berlin müßten Recht und Gesetz bestehen bleiben, meinte der Realo und fügte staatsmännisch hinzu: „Der Senat hat mit Ruhe und mit Entschiedenheit reagiert. Er wird sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen.“

Wie Schily begrüßte gestern auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Räumungen. Von der AL forderte die GdP, sich eindeutig von den Kleinkrawallen in Kreuzberg am Dienstag abend zu distanzieren. Vom Senat erwartet die GdP eine „politische Lösung, die den Wohnungsleerstand beseitigt.“

Voll auf die Kacke haute wie gewohnt der Vorsitzende der erzreaktionären, ständischen „Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund“. Zitat: „Schon fünf Tage nach Amtsantritt des rot-roten Senats ist deutlich geworden, daß die linksradikale AL nur ihre Strohpuppen als Standbein in den Senat entsandt hat, während ihr Spielbein weiterhin Gewalt gegen Polizeibeamte ausübt, Sachbeschädigungen und Plünderungen begeht und auch nicht vor Bombenanschlägen zurückschreckt.“

Einen ungeahnten Aspekt fand der CDU-Generalsekretär. Er wittert mafiaähnliche Machenschaften der neuen Regierung. „Die spektakulären Aktionen der besetzten und geräumten Häuser lassen eine reine Inszenierung für die Medien als wahrscheinlich erscheinen. Hier wurde ein klassischer Bluff in guter Kooperation mit dem SFB in Szene gesetzt“, folgerte Landowsky messerscharf. „In einem für jeden erkennbaren Hase -und-Igel-Spiel zwischen der Polizei und den Besetzern sollte der Öffentlichkeit ein entscheidungsfreudiger und handlungsfähiger rot-grüner Senat präsentiert werden“, führte der Generalsekretär aus. Landowskys Überlegungen werfen in der Tat Fragen auf: Handelt es sich bei den Besetzungsaktionen um eine ABM-Maßnahme des Senats für arbeitslose Schauspieler? Oder hat der Filmverleih von Jürgen Wohlrabe die Produktionskosten übernommen, um „Rambo IV - breaking glass in Kreutzbörg“ abzudrehen?

ccm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen