: Frankfurter Polizei stürmt Grünen-Büro
Hausdurchsuchung im hessischen Grünen-Büro nach Brandanschlag auf Gerichtsgebäude / Polizeiüberfall richtet sich gegen Hungerstreik-Aktionszentrum / Polizei leitet Ermittlungen nach Paragraph 129a gegen Besetzer ein ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Dienstag abend gegen 23 Uhr standen vor der Mainzer Landstraße 147 in Frankfurt dutzendweise blinkende Polizeiwagen. Im zweiten Stock durchsuchten rund 60 Kriminalbeamte und uniformierte Polizisten die Räume des Landesvorstandes und Kreisverbandes der Grünen. Zum Auftakt hatte die Polizei die Tür zertrümmert und die Etage gestürmt. Sie ließ umgeworfene Schreibtische, Möbeltrümmer und zerschlagene Blumentöpfe zurück. Dazwischen verstreut lagen Akten der Grünen.
Einen Hausdurchsuchungsbefehl gab es nicht. Gefahr sei im Verzug, hatte der Einsatzleiter erklärt. Es ginge eigentlich nicht gegen die Grünen, sondern gegen deren BesetzerInnen, die seit rund zwei Wochen in den hinteren Räumen ein „Aktionszentrum“ zur Information über den Hungerstreik der RAF-Gefangenen installiert haben. Anlaß der Polizeiaktion war ein Brandanschlag gegen den Neubau des Gerichtsgebäudes in der Innenstadt am frühen Dienstag abend. Laut Polizeibericht hatten „acht bis zehn Vermummte“ während des Berufsverkehrs mit brennenden Autoreifen die Fahrbahnen abgesperrt und Feuer an das Baugerüst gelegt. Ein Transparent hatte die Zusammenlegung der hungerstreikenden RAF-Gefangenen gefordert.
Der Durchsuchung waren wochenlange Kontroversen innerhalb der Grünen um das Verhalten gegenüber den BesetzerInnen und mit der Hausverwaltung des ehemaligen KBW-Hauses, der Kühl KG, vorausgegangen. Als der Landesvorstand einen Tag nach der Kommunalwahl polizeilich räumen lassen wollte, hatte sich die Kühl KG eingeschaltet, um diesen Schritt zu verhindern. Der Landesvorstand kündigte die Räume. Die Kühl KG fühlte sich düpiert und mit dem Problem allein gelassen. Sie verhandelte mit den BesetzerInnen um die Überlassung von zwei Räumen. Am Dienstag aber sah sie sich mit einer BesetzerInnenforderung konfrontiert, die wesentlich weiter ging: Sie bräuchten jetzt die ganze Etage, weil die Entwicklung der Bewegung dies erfordere.
Joscha Schmierer, Ex-KBW-Chef (Kommunistischer Bund Westdeutschland), sah sich Dienstag nacht durch die Polizeiaktion von allen Seiten unter Druck gesetzt. Das Haus mit seinen zahlreichen alternativen Projekten und Betrieben sei in Gefahr - einerseits durch das „Diktat der Besetzer“, andererseits durch die „Fluchttendenzen“ der Grünen. Die Polizei habe die Gunst der Stunde genutzt und könne sich künftig zum Dauergast entwickeln: „Sie spielt mit dem Projekt.“ Schmierer sägte zwei Stunden nach Mitternacht die schwere Eisentür zum zweiten Stock auf, hinter der sich die BesetzerInnen verbarrikadiert hatten: „Wir wollen demonstrieren, daß wir ein offenenes Haus sind!“ Inzwischen haben die Grünen geäußert, daß ihre Kündigung nicht ernst gemeint gewesen sei.
Durchsuchung und Personenkontrolle von 29 BesetzerInnen endeten mit einer Festnahme, die allerdings, so die Polizei, nicht im Zusammenhang mit dem Brandanschlag stände. Nachdem alle Kontrollierten entlassen waren, machten sich die Beamten eher lässig über die Räume her, schüttelten zurückgelassene Jeans aus, hoben hier und da einen Zettel auf und sammelten Akten ein. Aus dem Sortierfach des Fotokopierers fischten sie Solidaritätsadressen für die BesetzerInnen und Adressenlisten - vorwiegend von Gefangenen in verschiedenen Haftanstalten.
Ein Schild an der Wand offerierte Jutetaschen für 3,70 Mark pro Stück. „Teuer“, meint ein Beamter, „dafür bekomme ich ja zehn Plastiktüten.“
Die Diskussion um die BesetzerInnen in der Mainzer Landstraße, die die Räume inzwischen wieder benutzen, ging gestern mit einer Pressekonferenz der Kühl KG, einer Hausversammlung und einer Diskussionsveranstaltung am Abend weiter. Die Polizei teilte mit, sie wolle gegen die BesetzerInnen Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung einleiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen