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Hausräumungen ohne Unterschiede

■ Koalitionsstreit über künftige Haltung gegenüber Neubesetzungen / Innensenator Pätzold (SPD) will bei jeder Besetzung räumen, ob Sanierungshäuser oder Spekulationsobjekte

Der Koalitionsstreit über das Vorgehen bei Hausbesetzungen geht weiter. Innensenator Pätzold (SPD) bekräftigte gestern gegenüber der taz, der neue Senat werde bei jeder künftigen Neubesetzung sofort räumen lassen. Das gelte sowohl für Sanierungshäuser, als auch für spekulationsbedingten Leerstand, bestätigte Pätzold. „Man wird nicht unterscheiden können nach den einen und den anderen Häusern“, sagte Pätzold. Würde der Senat Neubesetzungen dulden, „dann hätten wir Hunderte von Häusern“, begründete der Innensenator seine Haltung. Pätzold weiter: „Ich habe aber tausend andere Dinge zu tun.“

Damit begab sich der SPD-Politiker in offenen Gegensatz zum kleinen Koalitionspartner AL. „Der Konflikt ist jetzt sowieso schon da“, meinte am Donnerstag auch der AL -Politiker Christian Ströbele in einem ZDF-Interview. In allen Fällen von Neubesetzungen seien „Lösungen jenseits polizeilicher Räumungen anzustreben“, bekräftigte am Mittwoch abend der Geschäftsführende Ausschuß (GA) der AL. Die auch von den AL-Senatorinnen mitgetragenen Räumungen vom Dienstag waren für den GA ein „politischer Fehler“. Besetzungen sanierungsbedingt leerstehender Häuser und Wohnungen könnten aber „politisch nicht akzeptiert werden“. Pätzold kommentierte dies gestern mit den Worten, er glaube nicht, „daß das insgesamt die Position der AL ist“. Er verwies auf die „anderen Anliegen“ der rot-grünen Koalition, die man durch die Besetzungen nicht gefährden lassen dürfe.

Die AL steuert nun offenbar auch auf einen Konflikt zwischen der Partei und den von ihr nominierten Senatorinnen zu. Senatssprecher Kolhoff (SPD) hatte schon am Mittwoch erklärt, die Koalition sei sich in der Haltung einig, Neubesetzungen „nach Möglichkeit“ zu verhindern. Kolhoff habe damit für den ganzen Senat gesprochen, bestätigte die von der AL nominierte Schulsenatorin Sibylle Volkholz gestern gegenüber der taz. Zu dem GA-Beschluß wollte Volkholz sich nicht äußern. „Ich werde darüber mit der AL diskutieren“, kündigte die Schulsenatorin an.

Die AL formulierte unterdessen Ansprüche an ihre Senatorinnen. Die Partei werde, „mehr als bisher, auch im Senat ihre Position zum Ausdruck bringen“, heißt es in dem GA-Beschluß. Künftig werde die AL intensiver und präziser diskutieren müssen, um den Senatorinnen Empfehlungen geben zu können, kündigte das GA-Mitglied Harald Wolf an. Zu einem „öffentlichen Ratschlag“ über die zukünftige Wohnungspolitik will der GA kommende Woche neben Mieterorganisationen und Stadtteilinitiativen auch BesetzerInnen einladen. Die Position der AL sei „mit der SPD allein nicht durchsetzbar“. CDU-Fraktionschef Buwitt verstand dies am Donnerstag als „Aufforderung an die Autonomen, den Druck der Straße zu mobilisieren“.

Wenn der Senat nicht alles unternehme, um „Wohnungsraubbau“ und Leerstand flächendeckend und schon im Frühstadium zu bekämpfen, verwirke er „das moralische Recht zur Räumung“ besetzter Häuser, erklärten die AL-Baupolitiker Härtig und Michaelis. Die von SPD-Bausenator Nagel angekündigten Maßnahmen zur Beschleunigung von Sanierungsvorhaben seien „zwar sinnvoll, aber unzureichend“, hieß es in der Erklärung. Die AL-Politiker forderten den Senator auf, ein Wohnungspflege-Gesetz zu erarbeiten, um Leerstände und den Verfall von Wohngebäuden intensiver zu bekämpfen.

hmt/dpa

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