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Mapplethorpe-betr.: "Zum Tod von Robert Mapplethorpe", taz vom 18.3.89

betr.: „Zum Tod von Robert Mapplethorpe“,

taz vom 18.3.89

Wer sich das abgedruckte Foto genau ansieht, wird feststellen, daß jener Stern, der Mapplethorpes Kopf wie einen Heiligenschein umgibt, nicht der rote Stern der RAF ist, sondern der Drudenfuß. Der Drudenfuß ist ein altertümliches Schutzzeichen, das Druden (böse Nachtgeister, die Alpträume verursachen) abwehren soll. Zwar mag die vordergründige Ähnlichkeit zu RAF-Bildern gewollt sein, aber in diesem Foto steckt weitaus mehr.

Mapplethorpe scheint durchdrungen vom Schutz gegen die bösen Geister der maskulinen Geschichte. Nicht bloß dieses Schutzsymbol, sondern aktiver Widerstand: er hält das MG ja in der Hand, das RAF-Symbol zeigt das Gewehr über den Stern gedruckt. Mapplethorpe hat sich selbst zwischen den Stern und das Gewehr begeben. Als unglücklicher Erbe maskuliner Geschichte ist Mapplethorpe nicht bloß Opfer und hat es auch nicht nötig, bloß Opfer zu fotografieren und - wie jene der RAF - zu entthronen (vielleicht sollte ich auch sagen: entwürdigen). Diesen Teil hat Mapplethorpe in sich aufgenommen und bewahrt. Aber er ist nicht als Opfer gestorben - weder als Opfer seltsamer Männlichkeit noch als Opfer von Aids. Opfer sind jene, die eine Gesellschaft bewußt tötet. Jeder mag selbst überlegen, wer alles dazu gehört.

Und noch was zum Geschlechterkampf: Wer ist schon tatsächlich bereit, in der eigenen Person zu versuchen, die notwendigen Veränderungen der Gefühle und Affekte zuzugeben. Allerorts wird geheiratet und sich dann vor die Glotze gesetzt. Und ab und zu mal gefickt. Symbiose ist angesagt.

Zwei Körper, die aneinanderdrängen und gegenseitig eindringen, befinden sich im Kampf, in einem wollüstigen Abwehrkampf. Sich Illusionen von Einheit hinzugeben, heißt doch bloß, den Aids-Körper in sich zu akzeptieren. Jeder „weiß“ aber, daß der eigene Körper Antikörper bildet. Dieses „weiß“ gilt es aber tatsächlich erst noch ins Bewußtsein zu heben. Erst dann kann jeder ein Gefühl dazu oder dafür haben. Erst dann kann auch jeder ein Gefühl für und von Liebe zum eigenen und fremden Körper haben. Und erst dann kann es vielleicht etwas wie Würde oder Stolz statt Chauvinismus und Selbstmitleid geben.

Stefan, Frankfurt 90

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