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„Heil Hitler“ auf dem Transit

■ Neonazis aus sieben europäischen Ländern wollen am 20.April den „Führergeburtstag“ feiern / Gerüchte über Nazi-Auftritte auch in Berlin

Das erste Treffen fand angeblich in einer Pizzeria an Madrids Puerta del Sol statt: Unter Spaniens Sonne planten der Neonazi Michael Kühnen und der belgische Altnazi Leon Degrelle im Sommer 1984 eine Geburtstagsfeier. Denn für Rechtsextremisten gibt es am 20.April dieses Jahres ein „historisches Ereignis“ zu zelebrieren: Adolf Hitler wäre 100 Jahre alt geworden. Die Fete wollen die doitschen Kempen aber, ganz im Gegensatz zu früheren Zeiten, nicht alleine veranstalten. Faschisten aus Spanien, Italien, Norwegen, Frankreich, Dänemark, Belgien und der Bundesrepublik wollen sich am Jubiläumstage zuprosten - nicht nur die Linke hat eine Idee von „Europa“. Der grenzüberschreitende Auftritt der Nazis wird von einem „Komitee zur Vorbereitung der Festlichkeiten zum 100.Geburtstag Adolf Hitlers“ - kurz KAH

-koordiniert. Aufkleber dieser Truppe wurden bereits in Neukölln gesichtet.

Wo die „zentrale Kundgebung“ am 20.April stattfinden wird, wissen zur Zeit nur Kühnen und Co. Aus „juristischen Gründen“ können die Nazis aber nicht in der Bundesrepublik und West-Berlin aufmarschieren. Der selbsternannte Obernazi Kühnen ließ deshalb durchblicken, daß die Bewegung ins ausländische Exil gehen muß, um mit Nazi-Fahnen eine Prozession zu Ehren des „Führers“ zu veranstalten.

Nichtsdestotrotz wird auch in der ehemaligen „Reichshauptstadt“ damit gerechnet, daß Nazis am „Ehrentag“ Berlins Straßen unsicher machen. Erst am Wochenende klirrten die Scheiben eines Charlottenburger Cafes, zu Anfang des Jahres verübte eine „Bewegung 20.April“ einen „Schweinekopfanschlag“ auf antifaschistische Gedenkstätten (siehe auch Chronologie). Im vergangenen Jahr gröhlten Neonazis, die sich am 19.4. auf der Transitstrecke nach Berlin befanden, faschistische Lieder auf Rastätten, - aus dem Cassettenrecorder im Auto dröhnte auf dem Parkplatz die Stimme von Göbbels.

In diesem Jahr werden sich die rechtsextremen Jubiläumsgäste wohl kaum damit begnügen, braune Torten anzuschneiden: Sprecher von Verfassungsschutzbehörden rechnen mit Anschlägen auf Ausländerwohnungen, Behörden und

-für Berlin besonders brisant - Einrichtungen der Alliierten. Und einigen engagierten SchülerInnen wird zur Zeit von rechter Seite empfohlen, „bis zum 20.April lieber die Schnauze zu halten“, weil „die Stadt dann voller Kameraden“ ist. Ob hohle Drohgebärde oder echte Warnung zum Teil ziehen solche Sprüche. Ein 18jähriger, gegen Nazis engagiert, will am 20.April „lieber nicht zu Hause sein“, eine 16jährige, die an ihrer Schule antifaschistische Arbeit macht und sich dann und wann mit Rechtsradikalen anlegt, möchte sogar „kurzzeitig die Stadt verlassen“.

ccm

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