: Wissenschaft und Technik: GELADENE AALE ELEKTRISIEREN LEDERINDUSTRIE
Hand- und Brieftaschen aus Aalhaut waren im vorigen Jahr unter modebewußten Amerikanern der letzte Schrei. Die Freude am aalglatten Ledernen währte jedoch nicht lang, denn bald verbreiteten die Medien die Nachricht, das Aalleder ruiniere Bank- und Kreditkarten. Die Häute der elektrischen Aale, mutmaßten Wissenschaftler und Laien, seien auch nach ihrer Verarbeitung noch so stark geladen, daß sie die Magnetbänder von Kredit- und Bankkarten aufladen und wertlos machen. Ein Yuppie kann ohne Plastikkarten nicht leben, wohl aber, wenn auch ungern, ohne aalledernes Portemonnaie. Die Taschen wanderten zu Tausenden in den Mülleimer. Das war ein harter Schlag für „Chic Classiques“, die kalifornische Firma, die jährlich mehrere Kilometer Aalhaut in Form von teuren Lederprodukten importiert. „Chic Classiques“ beauftragte ein Forschungslabor damit, die verdächtigen Häute auf ihre elektrischen Eigenschaften zu untersuchen. Die Fachleute fanden jedoch nichts. Weder Rückstände vom Gerbeprozeß noch die Häute selbst waren elektrisch geladen oder konnten eine Ladung leiten. Außerdem, stellten die Fachleute fest, stammen die meisten Aallederprodukte nicht von elektrischen, sondern von anderen Aalarten. Das Problem liegt nicht beim Aal, sondern in den Verschlüssen der teuren Handtaschen, meinten die im Auftrag von „Chic Classiques“ recherchierenden Wissenschaftler: „Unsere Instrumente konnten die Magnetfelder der Verschlüsse noch in zehn Meter Entfernung registrieren. Das ruiniert jede Karte.“ Herrenbrieftaschen jedoch haben meist keinen Metallverschluß, und doch kamen Klagen über dekodierte Karten zuhauf auch von den Herren. „Chic Classiques“ macht dafür die Herren selbst verantwortlich: Die nämlich legen die Karten auf den Fernsehapparat oder die Lautsprecher der Stereoanlage, wo die Magnetbänder im elektromagnetischen Feld schnell ihre Kodierung einbüssen. Nicht alle jedoch sind von der einfachen Lösung überzeugt. Die Idee, es könnten doch vom Aal abgesonderter Schleim oder in die Aalhaut eingebettete Magnete sein, die für Chaos in der Geldbörse sorgen, beschäftigt noch immer einige Wissenschaftler - zumindest solange sich damit Forschungsgelder scheffeln lassen. Discover
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