: Wenn die Kasse falsch klingelt
Augen auf beim Gang durch die Ladenkassen! / Hersteller der Scanner-Kassen: Bedienungspersonal / schlampig / Überhöhte Preise um bis zu einem Drittel ■ Von Renate Siewert
Bei einer Marktuntersuchung wurde festgestellt, daß die immer häufiger eingesetzten Scanner-Kassen in Verbrauchermärkten eine erhebliche Fehlerquote aufweisen. Sie erreicht oft 33 Prozent des ausgeschilderten Preises, meistens zu Ungunsten des Kunden.
In einer routinemäßig vorgenommenen Kontrolle der Abteilung Verbraucherschutz des Kreisverwaltungsrates München stellten die Beamten in mehreren Lebensmittelmärkten, die mit Scanner -Kassen ausgerüstet waren, fest, daß die automatische Ablesung zu erheblichen Preisunterschieden führt. Der angezeigte und abgerechnete Wert der Strichcodierung liegt zum Teil erheblich, bis zu einem Drittel, über den im Regal genannten Preisen.
Bei den Scanner-Kassen handelt es sich um Einrichtungen zum Erfassen von Codes, die auch unter dem Namen „Zebrastreifen“ beim Verbraucher bekannt sind. Diese werden mit opto -elektronischen Systemen erfaßt und mit einem zentralen Rechner in den jeweils aktuellen Marktpreis umgerechnet.
Der Käufer selbst kann die vom Hersteller aufgedruckten Codes nicht entziffern. Ihm bleibt praktisch keine andere Wahl, als der Kasse zu trauen. Bei der Scanner-Technik handelt es sich um relativ neue Anlagen, die in der Bundesrepublik erst vor etwa drei Jahren eingeführt wurden. Inzwischen haben sich jedoch bereits etwa 800 Unternehmen und Marktketten dieser Zukunftstechnik angeschlossen, und immer mehr Hersteller drücken die neuen Geräte in den Handel. So bieten neben IBM, Nixdorf und NCR auch kleinere Computerfirmen die neuen Scanner als Ergänzung zum bereits vorhandenen PC an. Über die Kasse kann dann mittels ausgefeilter Software die gesamte Buchhaltung laufen. Nicht nur Massenanlagen steigen in den Strichcode ein, sondern auch Kleinunternehmer und Handwerker.
Neben einer kosten- und arbeitskräftesparenden Technik bringen die neuen Scanner auch Probleme. So sind mit ihrer Enführung erhebliche organisatorische Änderungen und Anpassungen in der Sortimentgestaltung und Lagerhaltung verbunden. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium von Wartenberg rechnet damit, daß „bei der Einführung von Scanner-Kassen erhebliche Anlaufprobleme nicht auszuschließen sind. Zugleich liegt es jedoch im Eigeninteresse der Unternehmen, daß sie bald überwunden beziehungsweise abgestellt werden“. Die erheblichen Abweichungen zwischen den Regalpreisen und den von der Kasse erfaßten Preisen erachtet von Wartenberg als „vorübergehendes Phänomen“. Die konkurrierenden Warenmärkte, meint er, könnten „es sich gar nicht leisten, auf Dauer zu Lasten der Verbraucher abzurechnen“.
Ganz anders sehen dies dagegen die Verbraucherverbände. Sie fordern Kontrollmöglichkeiten für den Kunden. Deshalb hat Massa in seinen Märkten nun sogenannte Kontrollkassen eingerichtet, an denen der Kunde selbst überprüfen kann, wie hoch der vom Strichcode vorgegebene Preis ist. Mit dem Regalpreis kann der Kunde allerdings nur dann vergleichen, wenn er diesen exakt im Kopf hat. Der Maßnahme von Massa wird deshalb nur wenig mehr als der Wert einer Augenwischerei beigemessen, weil der Kunde ja doch nie alle Regalpreise im Kopf haben kann.
Nach internen Untersuchungen des Computerherstellers Nixdorf liegt der Fehler der falschen Preisangabe nicht bei der Scanner-Kasse, sondern beim Bedienungspersonal. Dieses fühlt sich sehr oft von der neuen Technik überfordert. Während das Preisschild im Regal schnell gewechselt ist, sind im Speicher der Kasse noch wochenlang die alten Werte abgelegt. Komplizierter wird das Problem weiterhin dadurch, daß viele Hersteller den Strichcode bei neuen Produkten beziehungsweise Produktgruppen unangekündigt ändern. So kann es vorkommen, daß derselbe Wein, einmal lose im Regal, dann im Einzelkarton, zwei verschiedene Strichcodes aufweist. Logischerweise führt das dazu, daß die Scanner-Kasse zwei verschiedene Preise ausgibt, wenn sie nicht ordnungsgemäß programmiert wurde.
Natürlich ist darauf hinzuweisen, daß bei einer Abweichung zwischen dem im Regal angegebenen und dem an der Kasse verrechneten Preis ein Verstoß gegen die Preisverordnung besteht. Bei „hartnäckigen Wiederholungstätern“ handelt es sich sogar um einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Falsche Angaben in großem Umfang und bei mehreren Wiederholungen könnten sogar zur Gewerbeuntersagung führen.
Ladeninhaber kommen sehr schnell mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt, wenn sie die neue Technik nur unvollständig beherrschen. Auch die Ausrede gilt dann nicht mehr, wenn der Inhaber angibt, daß er die Preiserhöhung zwar im Computer umgestellt hat, aber die Regale schlichtweg vergessen habe. Wer sich nicht mit der neuen Technik vertraut macht, handelt gegen das Gesetz. Genau dann gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht, meint der Gesetzgeber, wenn man sich dieser modernen Scanner-Technik bedient.
Vorläufig wurden die Ordnungsbehörden angewiesen, sich der Preisauszeichnungspflicht gezielt anzunehmen und Verstöße „wirkungsvoll zu ahnden“.
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