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Im Dschungel der Courtage

■ Von Zubringergeschäften, Tipgebern, Werbungskosten und Selbsthilfe im Geschäft mit dem Wohnraum / Beschuldigte soll Maklergebühren unterschlagen haben

Man muß schon genau hinhören, um die Feinheiten zu erfassen: Wohnungs-Makler unterscheiden zwischen „Zubringern“, „Tipgebern“ und „Abwicklungen“. Zubringer vermitteln Objekte und erhalten dafür 50 Prozent „Courtage“. Der Tipgeber weist auf ein mögliches Objekt hin und erhält, wenn ein Geschäft realisiert wird, 25 Prozent der Gebühren. Bei der Abwicklung kommt das Objekt aus Maklerhänden und ein Dritter vermittelt es an einen Kunden. Für diese Tätigkeit - im wesentlichen die Organisierung von Besichtigungsterminen - gibt es bei erfolgreichem Vertragsabschluß ebenfalls 25 Prozent Provision.

Ermittlungsgrundlage für die Höhe der Provision ist bekanntlich die Höhe der Monatsmiete. Diese Tatsache ist die einzig unstrittige in einem Gerichts-Verfahren gegen Ursula V.

Ihr wird vorgeworfen, in mehr als einem Dutzend Fällen und für drei Maklerbüros die Provisionen

unterschlagen zu haben. Außerdem soll V. ohne behördliche Genehmigung gemakelt haben. Drittens soll Ursula V. bei der Firma Meyerhoff unter falschem Namen Büromöbel bestellt und dadurch die Firma „durch Vorspiegelung falscher Tatsachen beschädigt“ haben.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft listet die Courtagen säuberlich auf. Aber was im ersten Moment völlig eindeutig wirkt, löst sich ins Nebulöse auf, als die Beschuldigte und der erste Makler aussagen.

Sie sagt, mit ihr seien 50 Prozent Courtage vereinbart worden. Er sagt, das gelte nur für Zubringergeschäfte. Sie habe im wesentlichen als Tipgeberin und Vermittlerin fungiert. Für diese Arbeit stünden ihr nur 25 Prozent zu. Sie sagt, er hätte keine Werbungskosten abziehen dürfen, Er sagt, das Schalten von Anzeigen sei extrem kostenintensiv. Die Anzeigen seien auch für die Vermittlerin wichtig und müssten ihr mit in

Rechnung gestellt werden. Sie hält dagegen, dann müsse man auch ihre Auslagen für Sprit, Porto und Telefon einbeziehen. Er sagt, das seien „läppsche Summen“, die mit ihrem Anteil abgegolten seien.

Die ganze Fragerei ist dem Makler lästig. Hemdsärmelig bügelt er Fragen als „erledigt“ ab. Offensichtlich interessieren ihn die Geschichten nicht mehr. Sie liegen sechs Jahre zurück; seine Forderungen hat er an ein Inkasso -Büro abgetreten. Der Streit geht ihn nichts mehr an. Sein Resümee: „Wenn sie einen seriösen Weg eingeschlagen hätte, wäre sie eine gute Maklerin geworden.“ Man weiß, auf welcher Seite er sich wähnt.

Auch im nächsten Büro gab es schnell Streit. Ursula V. vermittelte ein Objekt an „Krupp-Atlas-Elektronik“ und strich die Provision ein. Als Grund gibt sie an, ihr Chef habe es ebenso gehalten und außerseiriteGehaltszahlungen in Rückstand geraten. Wieder be

ruft sie sich auf „Selbsthilfe“. Der Streit war festgezurrt; wenig später war das Büro pleite. Der Chef arbeitet seitdem auf Provisionsbasis für eine Versicherung. Er wechselte die Branche. Die Beschuldigte wechselte das Büro.

Dort wurde sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Sie vermittelte für diese dritte Firma ein Objekt, das die erste ebenfalls zu ihrem Fundus zählte. Sie mutmaßt: „Die sind sich ins Gehege gekommen. Ich soll es jetzt ausbaden.“

Es wird noch eine Zeit dauern, bis das Gericht diesen Courtage-Dschungel gerodet haben wird. Lug und Trug und Rechtschaffenheit sind in diesem Prozeß schwer auseinanderzuhalten. Manchmal scheint es, als wäre eine ganze Gruppe von Krähen versammelt, die unüblich auf die Augen des Gegenüber zielen. Wer geschickt hackt, wird reich; wer daneben zielt, wandert ins Gefängnis. FW

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