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Keine Toten drinnen und draußen

Justizsenatorin Limbach (SPD) über die Vermittlungsinitiative in Sachen Hungerstreik  ■ I N T E R V I E W

Sie haben heute die Präsidentin des Bundestags, Rita Süssmuth, und den Präses der EKD, Jürgen Schmude, gebeten, als Vermittler zwischen den Bundesländern und den hungerstreikenden RAF-Gefangenen zu fungieren. Was versprechen Sie sich von dieser Initiative?

Jutta Limbach: Wir versprechen uns davon zwei- ja fast dreierlei. Einmal, daß es gelingt, alle Bundesländer zu einer einheitlichen Strategie zu versammeln. Zum anderen versprechen wir uns davon, eine Vermittlung mit den einsitzenden Häftlingen aus der Terrorszene, möglicherweise aber auch mit Kommandoeinheiten, die hinter ihnen stehen. Zum anderen erhoffen wir aber von beiden Personen aufgrund ihrer moralischen Glaubwürdigkeit und ihrer politischen Überzeugungskraft, daß sie den gesellschaftlichen Dialog, den wir gerade führen und der durch den Osterappell des Böll -Kreises zum Beispiel in Gang gekommen ist, daß der im größeren Rahmen in unserer Gesellschaft geführt wird, denn ich meine, das ist auch ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die Justizminister wollen sich in dieser Woche noch einmal treffen. Sind sie bei ihren Bemühungen bisher nicht vorangegekommen?

Ich habe den Eindruck, daß sie nicht sehr weit vorangekommen sind, wenn Sie bedenken, daß wir ja doch in Gefahr leben, daß hinter den Gefängnismauern sich einer zu Tode hungert, und das möglicherweise mit einem terroristischen Anschlag beantwortet werden wird. Und ich möchte, daß weder Menschen vor noch hinter den Gefängnismauern sterben.

Wie will der Senat konkret verhindern, daß sich die Situation trotzdem weiter zuspitzt?

Einfach dadurch, daß ich mich jetzt mit meinen Kollegen und Kolleginnen Justizministern zusammensetze und überlege, welche Möglichkeiten wir haben, ohne Gesichtsverlust auch von der Seite des Staates zu erreichen, daß man miteinander ins Gespräch kommt und der Hungerstreik möglichst abgebrochen wird.

Wie stehen Sie persönlich zu der Zusammlegung in kleinere oder größere Gruppen?

Ich persönlich halte die Vorschläge, die dahingehen, die Häftlige in eine oder zwei große Gruppen zusammenzulegen, für unrealistisch, aus den verschiedensten Gründen. Lassen Sie mich kurz nur einmal das Sicherheitsinteresse nennen, das dann sehr stark angesprochen ist. Zum anderen denke ich, daß das auch im Interesse der einzelnen Häftlinge gar nicht zu verantworten ist, die dann möglicherweise wieder einem kollektiven Gruppendruck ausgesetzt wären. Vielleicht würde Ulrike Meinhof noch leben, wenn sie damals nicht vereinzelt worden wäre, mit Baader und den anderen.

Könnte nicht auch eintreffen, daß sich die Häftlinge vom „Terrorismus“ abkehren?

Das wäre ja eine wünschenswerte Folge, daß sie das tun, und unsere Strategien gehen auch in diese Richtung. Nur von dieser globalen Lösung halten wir nicht viel.

Was halten Sie von dem Vorschlag von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, fünf Gruppen a acht Gefangene zusammenzulegen?

Ich habe auch von diesen Vorschlägen gehört. Ich meine, daß dieser Vorschlag auch mit Gegenstand des Gesprächs der Justizminister und Justizsenatoren werden wird. Ich möchte wirklich nicht konkreter werden, weil ich dann auch meine eigenen Verhandlungsmöglichkeiten einschränken würde.

Rechnen Sie noch mit einem Ergebnis in dieser Woche?

Da kann ich nur sagen, ich wünschte, es käme dazu, aber... Ich will nicht sagen, daß ich keine Hoffung habe, ich weiß nur, wie schwierig diese Aufgabe ist.

Das Interview entstand am Rande der Pressekonferenz. Es fragten Radio 100, ARD und taz.

plu

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