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„Diese Koalition kann nur scheitern“

■ Die Vorstandsprecherin der Grünen, Verena Krieger, sagt in einem Zeitschriften-Interview das Ende der rot-grünen Koalition in Berlin voraus / Als Gründe nennt sie „fehlende gesellschaftliche Mehrheit“ und „innere Widersprüche“

Düstere Prognosen in bezug auf die Dauerhaftigkeit einer rot -grünen Koalition in Berlin gibt die Sprecherin der Grünen, Verena Krieger, in einem 'Konkret'-Interview von sich. Während die Koalition bemüht ist, im Umgang mit den Hausbesetzern eine friedliche Lösung zu finden, sagt das Bundesvorstandsmitglied den Tod der neuen Regierung bereits voraus. In der April-Nummer der Monatszeitschrift erklärt Verena Krieger, sie sei sich „fast hundertprozentig sicher“, daß die Koalition scheitern werde.

Als Grund nennt die Sprecherin die „inneren Widersprüche, die nicht thematisiert wurden - was passiert, wenn die ersten militanten Aktionen stattfinden?“ Außerdem konstatiert sie eine „fehlende gesellschaftliche Mehrheit“. „Das Problem fängt für die AL dann an“, so Krieger weiter, „wenn Momper die Koaltion platzen läßt und der AL dafür Stichwort: Regierungsunfähigkeit - die Schuld in die Schuhe geschoben wird.“

Der Dissens zwischen SPD und AL beträgt ihrer Meinung nach „90 Prozent“. In Berlin seien nur „kleinste Verbesserungen ausgehandelt“ worden. Auf die Frage, ob denn in der politischen Praxis ein als Linker gehandelter Christian Ströbele nicht mehr von einem Realo wie Joschka Fischer zu unterscheiden sei, antwortet sie, daß für sie „Fundi -Politik“ oft nichts anderes sei „als die andere Seite der Realpolitik: Die verbalradikale Attitüde schlägt in dem Moment leicht um, wo sie machtpolitische Möglichkeiten sieht und einem gewissen Druck der Verhältnisse ausgesetzt ist.“

Die Vorstandssprecherin übt in dem Interview auch Manöverkritik an der Verhandlungsführung. Die AL hätte das „Essential-Paper“ ablehnen sollen und damit auch das Risiko eingehen sollen, daß nicht einmal eine Tolerierung zustande gekommen wäre. Sie spricht sich noch einmal ausdrücklich für Tolerierung aus. Es müßten neue Konzepte ausprobiert werden. „In Westberlin ist diese Chance vertan worden“.

Daß sich „linke AL-Mitglieder“ auf die Koalitionsoption haben festlegen lassen, erklärt sie mit dem Wahlerfolg der Republikaner. Die Linken hätten „ein rot-grünes Bündnis als eine Art antifaschistischen Schutzwall angesehen.“ Sie gesteht zu, daß „gerade im Ausländerbereich die meisten und erheblichsten Zugeständnisse seitens der SPD“ erreicht wurden.

Verena Krieger, die ihr Mandat niedergelegt hatte, um Vorstandssprecherin zu werden, weil sie lieber in der Partei mitarbeiten als parlamentarisch tätig sein wollte, sieht Gefahren bei einer parlamentarischen Mehrheit: „Außerdem braucht eine rot-grüne Koalition eine gesellschaftliche Basis, die die Durchsetzung von Reformpolitik ermöglicht, und nicht nur eine parlamentarische Mehrheit, die eventuell sogar die gesellschaftliche Mehrheit für eine Reformpolitik zerstören kann. Wenn 60% der Westberliner für Neuwahlen sind und nicht einmal 40% für eine rot-grüne Koalition, sind die Voraussetzung für diese Koalition so, daß sie nur scheitern kann.“ Die Unkenrufe aus Bonn lösten bei der AL Kopfschütteln aus. Renate Künast, im AL-Fraktionsvorstand, die an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, meinte auf taz-Anfrage: „Auch Bundesvorstandsmitglieder sollten sich Gedanken um tatkräftige Unterstützung machen und sich nicht der Nekrophilie frönen.“ Ansonsten fordere sie Frau Krieger dazu auf, nach Berlin zu kommen, mit den Leuten zu diskutieren und sich in der Stadt umzuhören. Danach würde sie sich auch darauf freuen, „mit ihr gemeinsam im Kaffeesatz zu lesen oder Blei zu gießen.“

RiHe

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