piwik no script img

Ach, Oberammergau, Oberammergau...

Alle zehn Jahre tobt im Vorfeld der Oberammergauer Passionsspiele der Streit - so auch dieses Mal: Traditionalisten und Reformer erhitzen sich an der Frage, ob eine verheiratete Frau die Maria spielen darf  ■  Aus O'a'gau Luitgard Koch

„Reformer sein ist bei uns a bissl gfährlich“ - der CSU -Bürgermeister Klement Fend von Oberammergau äußert sich nur vorsichtig. Besonders wenn es um die traditionellen Passionsspiele geht, wird das Wort „Reformer“ im oberbayerischen Holzschnitzerdorf fast zum Schimpfwort. Diese Erfahrung macht im Moment im Gebirgsdorf im Pfaffenwinkel nicht zuletzt die 36jährige Elisabeth Petre. Vor wenigen Wochen wurde die Mutter von zwei Buben zur Maria für das Passionsspiel 1990 gewählt. Diese Ausnahmeregelung bisher durften an dem weltberühmten Laienspiel nur ledige Frauen unter 35 teilnehmen - verärgert die Traditionalisten. „Was Sie tun, ist eine Gotteslästerung und verdient höchste Strafe“ - die ersten Drohbriefe trudeln bereits ein. 'Bild‘ titelte gar: „Maria mit einem Asylanten verheiratet.“ Der Mann von Frau Petre ist Exilrumäne.

„Ich bin keine Reformerin, eher konservativ“, versucht sich die sympathische Oberammergauerin zu wehren. Offen werde sie zwar im Ort nicht geächtet, aber hintenrum werde schon gehetzt. Im Moment gehe gerade das Gerücht um, sie sei aus der Kirche ausgetreten. Doch sie ist einiges gewöhnt. „Einkaufsverbot hab i no koans wie beim Rosner-Spiel“, lacht sie.

Mit dem Rosner-Spiel hat es seine eigene Bewandtnis. Die barocke Textversion des Paters Rosner aus dem Kloster Ettal wurde 1977 als Probelauf geübt und rief sofort eine Bürgerinitiative gegen sich auf den Plan. Die Deftigkeit und Derbheit des Rosner-Passionsspektakels war den Oberen und kirchlichen Kreisen schon 1770 ein Dorn im Auge und wurde verboten. Mitarrangiert hatte das neuerliche Rosnerspiel der junge Oberammergauer Gastwirtssohn Christian Stückl. Der 27jährige steht auch jetzt im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Änderern und Traditionalisten. Der begabte Theatermacher - er inszenierte in Oberammergau von Büchners Woyzeck über Molieres Eingebildeten Kranken bis hin zu Shakespeares Sommernachtstraum arbeitete acht Monate als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen. Kaum hatte er seinen Heimatort verlassen, wurde in Oberammergau der Ruf laut, er wäre doch der geeignete Spielleiter für die Passionsspiele 1990. Der ehemalige Zivildienstleistende kehrte zurück und konnte sich mit knapper Mehrheit gegen den Kandidaten der Traditionalisten, den 61jährigen Hans Maier, durchsetzen.

Doch damit begann der Streit erst. Als er das traditionelle Pestspiel - das Stück dient als Probelauf für die Passion - von zuviel Lokalpathos befreite, kam es zum ersten Eklat. 1.200 Unterschriften wurden für seine Abwahl gesammelt. Er mußte Kompromisse eingehen, um Spielleiter bleiben zu können. So wurde ein bereits ausgearbeitetes Bühnenbild gekippt, Textänderungen nicht zugelassen. Trotzdem läßt Stückl sich nicht unterkriegen. Auch wenn jetzt zwei bereits gewählte Hauptdarsteller zurückgetreten sind, setzt Stückl auf den Generationswechsel, der eben auch vor Oberammergau nicht halt macht.

Und nicht zuletzt sind die wochenlangen Schlagzeilen über das Passionsdorf Werbung für 1990. Bereits 200.000 Karten mit Übernachtung sind verkauft. Beim letzten Spiel 1984 brachte dieser „bedeutendste Wirtschaftsfaktor“ der Gemeinde vier Millionen Mark Gewinn nach Abzug der Steuern.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen