: Prominente proben Antworten
■ Bei dem Hearing „Wie sieht unsere Zukunft aus?“ standen u.a. Zukunfts- und Vergangenheitsexperten Kindern aus 18 Ländern Rede und Antwort
Was wir alle gerne wissen wollen: „Wie sieht unsere Zukunft aus?“ Unter diesem Thema wurde gestern im Rahmen des „Internationalen Friedensgipfels für Kinder und Jugendliche“ (die taz berichtete) im Grips Theater diskutiert. Die Veranstalter des öffentlichen Hearings für Kinder und Jugendliche hatten dazu den Zukunftsforscher Robert Jungk, Schulsenatorin Volkholz, Hans-Peter Dürr (Atomphysiker), Peter Hauber (Ärzte für Frieden /IPPNW), Joachim Hoffmann (Pfarrer) und die Antifaschistin Keen („Zeitzeugin“) aufs Podium gebracht. Prominente proben Antworten. Die Kinder ließen sich nicht lange in Sachen Frieden und Zukunft bitten und legten dem Atomphysiker Dürr folgende Frage vor: „Wie lange gehts noch gut mit der Erde, wenn keine gravierenden Veränderungen eintreten?“ „Vierzig bis fünfzig Jahre“ - dann sei zum Beispiel das CO 2 alle und das Erdgas auch. „Es drohen enorme Katastrophen“ prophezeite Dürr.
Um jeder Resignation vorzubeugen, appellierte darauf der Zukunftsforscher an die Kinder, den Kopf nicht hängen zu lassen: „Wir dürfen dennoch nicht aufgeben!“ Jungk macht überall Schimmer der Hoffnung aus und hat sich in letzter Zeit auf die Erforschung optimistischer Ansätze verlegt: „Der Friedenskongreß ist auch so ein Ansatz“, meinte der so vehemente Atomkraft-Kritiker. Irgendwie lancierte dann ein junges Mädchen etwas erregt einen alten Lenin-Spruch ( „Was tun?“): „Wir reden nur. Wir müssen doch was tun, sonst ist es bald zu spät“, meinte die Schülerin. Das war der Einsatz der Zeitzeugin Keen: „Wir dürfen keine Plastiktüten mehr kaufen“, empfahl sie allen Ernstes dem Publikum. „Richtig“, stimmte Dürr zu, „ihr müßt dort was tun, wo ihr seid. Im Kleinen verändern.“ Dafür erntete er deutliche Bravo-Rufe. Auch die neue Schulsenatorin Volkholz stimmte diesem Ansatz vollem Herzens zu: „Die Industrie ist lernfähig und kann durch die Verbraucher überzeugt werden“, erläuterte die Ex -Lehrerin. Pädgogisierung der Industrie? Einstimmiges Votum auf dem Podium -- die Kinder fanden die Expertenmeinungen überzeugend. Auf Gründe für die von allen Anwesenden affirmierte und erwünschte Flexibilität, die von den Konzernen (dieses Wort fiel nicht) locker praktiziert wird, wurde nicht eingegangen. Es wurde nicht darauf hingewiesen, warum Konzerne, zu Beispiel aus der Waschmittelindustrie, so gerne und dankbar auf alle ökologisch interessierten Vorschläge eingehen, wenn sie nur irgendwie zu Kohle zu machen gehen. Wäre ja auch zu kompliziert für „diejenigen, denen die Zukunft gehört“ (Zitat Jungk, der die Kinder meint).
Mit lautem Beifall wurde dann auch die Frage an die Schulsenatorin quittiert, wann es ein eigenständiges Fach „Frieden“ (natürlich ohne Noten!) geben wird. Frau Volkholz war von dieser Idee gar nicht so begeistert und gab an, daß sie sich Friedenserziehung (sic!) in allen Fächern wünscht: „Friedenerziehung soll ein Unterrichtsprinzip sein. Wir werden am 8. Mai aus besonderem Anlaß ein Rundschreiben an alle Schulen schicken und die Lehrer mit Materialien zum Thema Frieden versorgen.“ In Russland, erklärte darauf ein Moskauer Schüler, gäbe es schon lange ein Fach Frieden, und das fände er auch wirklich gut. Ein Junge aus den USA lobte noch die demokratischen Errungenschaften seines Landes und meinte, daß man nicht einfach von oben ein neues Fach „Frieden“ einführen könne. „Dann könnten ja auch die Fans des Militärs einfach ein Fach 'Kriegsspiele‘ auf den Studnenplan setzen. Und viele Lehrer wollen mit dem Thema „Frieden“ auch gar nicht viel zu haben. Viele Lehrer wollen einfach keine Friedenserziehung leisten. Auf jeden Fall darf man das nicht so bestimmen. Ein Mädchen aus den USA, offensichtlich schon in jungen Jahren der Therapiegesellschact verfallen, präsentierte dann als Reaktion auf den Jungen die New-Age Weisheit, daß der Frieden ein inneres Problem sei: „Wir müssen den Frieden erst in uns finden und dann draußen“, meinte die Schülerin aus dem Lande der Vietnam-Krieger. Fazit der Veranstaltung: Wir brauchen immer mehr Frieden und immer weniger Plastiktüten.
Theo Düttmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen