: Unverzeihlich-betr.: "Schwarzweißes im Buntfernsehen", taz vom 16.3.89
betr.: „Schwarzweißes im Buntfernsehen“,
taz vom 16.3.89
In Lars Beckers Kalte Sonne gibt es eine Menge guten simbabwischen und südafrikanischen Township-Pop. Für Rezensent Michael Berger ist das „Ethnomusik“.
Wir hatten immer gemeint, daß Musik ein Produkt kultureller Arbeit sei, werden aber durch diesen schönen Begriff belehrt, daß Musik ein ethnisch-genetisches Erzeugnis von Nicht-so-Weißen mit „stets ein(em) Lied auf den Lippen“ (M.Berger) ist. Euros sind normal und nicht ethnisch; deswegen erzeugten Bach und John Lennon „natürlich“ nicht „Ethnomusik“, sondern seriöse. „Ethnomusik“ muß mensch sich auch nur anhören, wenn mensch entweder ein armer Ethno ist oder unter Exotismus leidet. Michael darf darüber nichts wissen und muß sich trotzdem nicht schämen.
Michael Berger fallen bei Schwarzen stets „blendend weiße Zähne“ auf, und er meint, daß sie so „gut zu Opfern taugen“. Wann fängt er denn damit an, bei Afrikanern nicht nur das Allgemeine zu sehen, sondern auch das Individuelle? Bei Euros gibt es massenweise dünnrückige Nasen, schmale Lippen und Arroganz; trotzdem erwarten die - und Michael Berger -, daß bei ihnen auch ihre persönlichen Besonderheiten beachtet werden.
Lars Beckers Film zeigt Hamburg und die BRD manchmal wirklich aus den Augen schwarzer Südafrikaner, und aus dem Blickwinkel sieht diese Welt recht häßlich und häufig gar wie die Fortsetzung der Apartheid mit anderen Mitteln aus. Burische und bundesdeutsche Geschäftsleute und Bullen passen in diesem Film - und nicht nur dort - sehr gut zusammen.
Wir freuen uns, daß es neben der alltäglichen „gut gemachten“ Kapitalismus-Werbungs-hochglanzscheiße auch noch Kalte Sonne gibt, und meinen, daß Lars Becker unterstützt werden muß, damit er neue und noch bessere Filme produzieren kann. Was uns bei ihm weniger gefallen hat, sind die Action-Elemente, bei denen er darüber hinaus auch noch in Hollywood-Klischees bleibt und die es solchen Zuschauern wie Michael Berger leicht machen, nicht mehr so genau auf „dieses unser Land“ zu schauen, wie es der Film eigentlich lehrt.
Michael Berger zerfetzt Kalte Sonne gnadenlos von einem abstrakten ästhetischen Gütebegriff her, ohne sich zu fragen, wozu etwas gut ist. Er rezensiert einen antirassistischen, eurokritischen Film, ohne seinen BRD -bezogenen Antirassismus zu erkennen und ohne sich - trotz grassierender „Republikanerisierung“ der BRD - Gedanken über kulturelle Gegenstrategien zu machen. Das können wir nicht verzeihen.
Sipho Shange, Thando Manasa, Hamburg
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