Kallscheuer verharmlost-betr.: "Schönhubers Ritt über den Bodensee", taz vom 29.3.89

betr.: „Schönhubers Ritt über den Bodensee“, taz vom 29.3.89

(...) Wenn Sie Schönhuber schon eine Plattform zur Meinungsäußerung bieten (wofür mir die taz lieber ist als das Privatfernsehen, das den Karfreitagszauber inszenierte, nicht nur wegen der kleineren, sondern unter anderem wegen der wahrscheinlich für Rechtsaußenpositionen weniger anfälligen KonsumentInnenschar), dann nehmen Sie sich doch bitte auch die Freiheit, nicht Schönhubers Gemeinsamkeiten mit bisher als demokratisch geltenden Parteien ihm in Ihrem aus insgesamt drei (gedruckten) Fragen bestehenden Katalog in den Mund zu legen, sondern provozieren Sie ihn mit Gegenargumenten so, daß seine Weste nicht als braunbefleckte, eigentlich schwarzgrüne, sondern, wahrheitsgetreuer, in der Reihenfolge umgekehrt gefärbte erscheint.

Solange die Linke nicht einmal auf ihrem Hauptagitationsfeld, der Schwätzerei, kämpferisch auftritt (das heißt z.B. den Gewerkschaften die Behauptung um die Ohren schlägt und als Lüge entlarvt, daß eine nichtdeutsche Konsumentin, die in Deutschland lebt, keinen Arbeitsplatz schaffe, sondern denselben, und dazu noch unsere teure Natur, hinweg„raffe“, soll Interviews mit Rechtsradikalen, auf deren Hauptagitationsfeld, der Ressentimentsvertiefung, die Rechte schon immer „siegte nach Punkten“ (wie Sie, Herr Kallscheuer, am 28.März, offenbar überrascht, feststellten), nicht nur nicht gedruckt, sondern auch nicht geführt werden; die eventuelle Publizitätssteigerung der Rechten durch ihnen hinterhereilende, um ein Interview bittende linke Reporter ist nur dann gerechtfertigt, wenn der sich zu Argumenten herablassenden Rechten wenigstens auf dieser Ebene Paroli gegeben werden kann.

I.F., Tübingen

Den Rassismus der „Republikaner“ - unter anderem gegen die Türken und „ihren Kampf mit den Wiegen“, mit denen sie den Kampf um die politische Herrschaft gewinnen würden lediglich als geschickten Populismus eines mitteleuropäischen Nationalismus zu zeichnen, verharmlost. Oder schlimmer: es fällt schlicht auf den „glänzenden Communicator“ (Kallscheuer) herein.

Es ist halt (seit Hugenberg oder Hitler) ein Merkmal moralisch skrupelloser Agitatoren, daß sie gegen „Fremde“ hetzen oder das je nach Bedarf des „Volks“ auch mal lassen, daß sie antisemitisch agieren und das Gegenteil behaupten und daß sie heute die Wut der von der Zweidrittelgesellschaft Ausgeschlossenen auf die muslimischen Türken richten, koste es auch die Zunahme von Übergriffen auf die, die nicht deutsch aussehen.

Wenn es das Interesse von Otto Kallscheuer ist, gegen „herkömmliche Antifa-Parolen“ zu Felde zu ziehen, so doch nicht durch Verharmlosung! Das Gefährliche dieser neofaschistischen (nicht: neonationalsozialistischen) Agitation zwingt vielmehr dazu, an den Ursachen ihrer Sogwirkung anzusetzen: an der Arroganz der Macht gegenüber den sozial Schwachen, an der zerstörtern Perspektive vieler Jugendlicher, an der Yuppie-Mentalität bis in Kreise führender Sozialdemokraten und allzu realistischer Grüner, vor allem an der gähnenden strategischen Leere zur politischen Kontrolle des Europas der Multis.

Hajo, Berlin

Ist das wirklich die taz, die Schönhuber als „einen glänzenden Communicator und ein mit allen Wassern des Mediengeschäfts gewaschenen Allround-Populist“ bezeichnet? Schönhuber als „linker Nationalist“ a la Kurt Schumacher? Schönhuber als „Bannenträger des Nationalstaatsgedanken“? Schönhuber mit „national-neutralistischer Tendenz aus den grünen Sagen“?

Das ist Schönhuber - wohlgemerkt: gemeint ist der REP -Chef.

Ach ja, da war ja noch was: „Das ist kein Nazi.“ Logisch. Wer hätte das annehmen können? Schönhuber ist im Prinzip ja eigentlich ein Linker - er „wildert“ nur im „Potential“ der Neonazis. Der zitiert sogar Atatürk und Engels - das muß ein Linker sein.

Mag sein, daß man Schönhuber „mit herkömmlichen Antifa -Parolen, Rassismus- und Neonazi-Vorwürfen nicht beikommen kann“ - darüber läßt sich reden, wobei ich Schönhuber sehr wohl für einen Rassisten der übelsten Sorte halte; doch eines muß klar sein: Schönhuber und die REPs sind mit allen nur möglichen Mitteln zu bekämpfen und nicht zu „adeln“.

Sind „mit bunten Eiern und geblümten Tischdecken geschmückte Kaffeetafeln“ der rechte Ort für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus? Diese Umgebung ist hierfür mit Sicherheit ebenso unpassend, wie Kallscheuers Artikel mißlungen ist.

Arne, Esslingen