: Förderstufe 2
Warum das DDR-Tischtennis bei der WM fehlt ■ PRESS-SCHLAG
Die DDR ist das einzige Land Europas, das nicht an den 40. Tischtennis-Weltmeisterschaften in Dortmund teilnimmt. Dabei gehörten die Aktiven aus dem jungen Arbeiter- und Bauernstaat einst zur europäischen Spitzenklasse. Der folgenschwere Einschnitt kam 1969, kurz nach den Welttitelkämpfen von München, wo Gabriele Geissler von „Außenhandel Berlin“ sogar die Silbermedaille im Damen -Einzel gewann.
„Damals faßte der Deutsche Turn- und Sportbund der DDR (DTSB) den Beschluß, die Sportarten in Förderungsstufen zu untergliedern“, erinnert sich Fritz Huhn, vielfacher DDR -Mannschaftsmeister mit „Außenhandel“, an diese Zäsur. In die Förderungsstufe 1 kamen Sportarten in olympischen Disziplinen, die durch einen beispiellosen Einsatz an Mensch und Material auf Medaillenkurs getrimmt wurden.
Zur Entlastung des arg strapazierten Etats ordneten die Funktionäre Tischtennis in die Stufe 2 ein, obwohl dies unweigerlich den Abstieg in die Unterklassigkeit zur Folge haben mußte. Ein ähnliches Schicksal ereilte übrigens die Wasserballer und Hockeyspieler der DDR, die ehedem Weltklasse darstellten, bald jedoch von der internationalen Bühne verschwanden.
Fortan durften die DDR-TischtennisspielerInnen nurmehr sporadisch bei Wettkämpfen im sozialistischen Ausland an den Start gehen, ansonsten blieben sie unter sich. Zum letztennmal ließ ein DDR-Spieler 1973 aufhorchen, als Bernd Raue sich in Rumänien und im thüringischen Gera gegen die weltbesten Chinesen und den amtierenden Vizeweltmeister Kjell Johansson aus Schweden durchsetzte.
„Das Niveau im DDR-Tischtennis“, so Fritz Huhn, der 1987 nach West-Berlin übersiedelte, „ist bis zum heutigen Tag erheblich gesunken. Die Spitzenleute würden höchstens in der zweiten Bundesliga spielen.“ Vor allem in puncto Athletik und Schnelligkeit seien die Aktiven zwischen Schwerin und Frankfurt/Oder ihren fiktiven westlichen Gegnern weit unterlegen. Hinzu komme das vielfältigere Spielmaterial der westlichen Firmen.
Momentan geben in der DDR-Oberliga, der höchsten Spielklasse, zwei Provinzmannschaften den Ton an: der amtierende Meister „Stahl Finow“, wo der 46jährige Huhn als Spielertrainer wirkte, und „Elektronik Gornsdorf“. Träger dieser Clubs sind ortsansässige Betriebe, denn das Spiel mit dem weißen Zelluloidball gilt als Betriebssport. Hier arbeiten die Spitzenleute vormittags, am Nachmittag wird trainiert. Selbst die Nachwuchsförderung liegt in den Händen der Firmen, ganz im Gegensatz zu den medaillenträchtigen Sportarten der Förderungsstufe 1, die über hochtechnisierte Leistungszentren verfügen.
Daß das Tischtennis in der DDR aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, nachdem die Sportart seit Seoul olympisch ist, bezweifelt Fritz Huhn indes: „Vor zwei Jahren wurde drüben mitgeteilt, daß sich nichts ändern wird, da die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind, um den Tischtennissport wieder an die Weltspitze heranzuführen.“ Diese Aufholjagd würde schätzungsweise zehn Jahre dauern und im Grunde genommen ebensolche Trainingsmethoden erfordern wie in den staatlich gehätschelten Disziplinen.
Jürgen Schulz
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