GEBURTSTAGSMARATHON ENDLOS

■ „Piano-Paul“ zerdehnt Kabarettistisches als „Ohrenschmaus“

Er hätte einfach nicht soviel reden sollen. Sein Prolog, in dem er seine ersten Berliner Eindrücke kalauernderweise verkaufen will, dauert allein eine Viertelstunde. Ein „dramaturgisch eigenwilliges Programm“ kündigt er an, um dann mit scharfsinnigem Humor zu witzeln, ein Künstler übe seinen unanständigen Beruf nur zu seinem Vergnügen aus, „nicht zu Ihrem“.

„Ohrenschmaus“ nennt sich das 1. Festival des musikalischen Kabaretts, das am Montag abend mit der zweifelhaften Darbietung von „Piano-Paul“ begann. Der Münchner Dietrich Paul, in seinem „anständigen“ Beruf Mathematiker, arbeitet nicht nur, sondern lebt auch als Kabarettist in Bayern. Seine Vorstellung in der Studiobühne Berlin heißt „Geburtstagsforschung und Nebentätigkeiten“ und ist die selbstironische Selbstbeweihräucherung eines bajuwarischen Möchtegernkomikers. Wie ein grauer Faden langweilt sich das Lied „Happy Birthday“ durch den Abend.

„Happy Birthday“, so lernen wir, stammt ursprünglich aus dem Bayrischen und existierte anfangs als Ländler und Dirndltanz. Erst viel später habe es - über den Baumwollpflücker Jerry Cotton - den Weg nach Amerika gefunden und sei auf englisch bekannt geworden, doziert er träge. Immer, wenn Paul sich an sein Piano setzt, um die gesamte Traditionsgeschichte dieses feierlichen Heulers musikalisch zu erläutern, wird das Programm zeitweise interessant. Bei Beethoven beginnend jagt er das Ständchen durch fast alle Musikepochen, von Bach bis Wagner, um es als deren vermeintliche Vertonungen stilistisch zu variieren. Zwar ist auch dieses Nachkomponieren „im Stil von ...“ ein alter Hut, aber wenigstens einer, den sich Paul getrost aufsetzen kann. Da taucht in der Mozart-Variation als Seitenthema „Hoch soll er leben“ auf, die Version von Chopin schmachtend überzeugend nach ihrer Adressatin George Sand, und fügsam schreiten die Sequenzen im Stil einer Bachschen Geburtstagsinvention dahin. Doch immer wieder mißlingen ihm die Passagen der wörtlichen Komik zu langatmigen Phrasen. Einen selbsterfundenen Bach-Nachfahren nennt er, dessen Präludium und verlorengegangene Fuge er ausführlich ankündigt - dann aber nicht anspielt, weil den ja offensichtlich keiner kenne. Wirklich komisch. In einem ausgiebigen Exkurs werden wir mit den „neueren Ergebnissen der musikalischen Geburtstagsforschung“ versorgt, die wesentlich in dem Computer-Erzeugnis „Beethoven de Luxe“ bestehen. Dank solcher technischer Errungenschaften, so Paul, ist endlich auch die Ermessung des absolut Uninteressanten möglich. Was er damit wohl meinte?

Wieder am Piano plaziert, bringt er ein Potpourri der U -Musik, in dem unser beliebtes Thema als Doppel-Swing eines Barpianisten „Blues of the South“, Ragtime-Entertainer, Geburtstags-Boogie und schließlich als grober Verschnitt von „Dschingis Khan“, Richard Clayderman und Tschaikowsky das Kostüm wechselt.

Einen zweiten Teil, der schon deshalb hölzern wirkt, weil Paul gut die Hälften seiner Humoresken vom Manuskript abliest, widmet der Piano-Profi den „Nebentätigkeiten“. So musikwissenschaftelt er zunächst an der wahren Geschichte des verkannten Peanuts-Genies Schröder entlang, indem er dessen „quasierotische Beziehung zu seinem Instrument“ psychologisch aufdröselt und umständlich enthüllt, daß Schröder nicht am Miniatur-Flügel, sondern -klavier dilettierte. Paul bemitleidet sein pianistisches Schicksal, ständig als Begleitinstrumentalist herabqualifiziert und um den Applaus gebracht zu werden. Mit einem Stück für Solo -Metronom und Klavier wird sogar treffend die Verbissenheit musikalischer Ausbildung parodiert. Endlich erfahren wir noch von seiner Nebentätigkeit als Pausenzeichenspieler beim WDR und als Hymnenkomponist für Liechtenstein.

Eine Mixtur aus musikalischer Erheiterung und pointierten Fehltritten ermüdet einen ganzen Abend lang. Und dann will Piano-Paul auch noch politisch witzig werden, wenn in der breitgewalzten Zusammenhanglosigkeit eines verbalen Teils das Deutschlandlied auf „Motoröl, Benzin und Diesel sind des Wohlstands Unterpfand“ umgetextet und gleich darauf AL als Abkürzung für „Arschloch“ benutz wird.

Christian Vandersee

Piano-Paul spielt bis zum 15.4. täglich außer Sonntag um 20.30 Uhr in der Studiobühne Berlin (Bühne 1) Außerdem spielt ab heute bis zum 9. April täglich um 20.30 Uhr im Theater in der Fabrik Osloer Straße „Bolschoi Berlin“ die Revue „Rudibovsky undco“.