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Hungerstreikende fordern Angebot

Für die RAF-Gefangenen sind auch Zwischenlösungen zur Zusammenlegung verhandelbar / Staat soll endlich ein Angebot vorlegen / Richter und Staatsanwälte in der ÖTV: Zusammenlegung ist rechtlich zulässig / Kohl: Staat darf sich nicht erpressen lassen  ■  Von Wiedemann/Gast

Bonn/Berlin (taz) - Die hungerstreikenden Gefangenen der RAF sind zu Verhandlungen über Zwischenlösungen auf dem Weg zur Zusammenlegung bereit, wenn dazu endlich ein Angebot des Staats auf den Tisch kommt. Dies betonten ihre Anwälte gestern auf einer Pressekonferenz in Bonn, an der auch Angehörige und ehemalige Häftlinge teilnahmen. Zeitgleich berieten die Justizstaatssekretäre der Länder auf einer Konferenz in Bonn mehr als vier Stunden lang über den Hungerstreik; aus Justizkreisen in Düsseldorf verlautete dazu, allein die Dauer der Konferenz lasse darauf schließen, daß über tatsächliche Lösungen verhandelt werde. Währenddessen verfaßte Generalbundesanwalt Kurt Rebmann eine 20seitige Presseerklärung, um den Vorwurf unmenschlicher Haftbedingungen mit dem bekannten Verweis auf Fernseher und Zeitungen zu widerlegen. Nach übereinstimmenden Angaben von Rebmann und Anwälten sind jetzt zwölf Inhaftierte im Hungerstreik, seit gestern auch Helmut Pohl.

„Die Umsetzung der Forderung ist verhandelbar; über Schritte, Zeitabstände, über alles kann geredet werden“, sagte Pohls Anwalt Rainer Adler gestern. Die Suche nach Vermittlern sei Zeitverschwendung, solange es kein Verhandlungsangebot gebe. Wenn es „irgendeine Art von Vorschlag“ gebe, dann „ist uns (Staatssekretär) Kinkel genauso recht wie eine andere Person“. Die Anwälte hätten, so Adler, den „entscheidenden Stellen“ von Anfang an signalisiert, daß der Weg zur Zusammenlegung verhandelbar sei. Bisher habe es aber „keinerlei Verhandlungsangebot von irgendwem“ gegeben. In einer Erklärung von Brigitte Mohnhaupt wird ebenfalls Gesprächsbereitschaft betont; es seien keine Vermittler nötig, sondern „glaubwürdige Zeugen“, wenn es zu Vereinbarungen komme, damit sich die Erfahrungen des Hungerstreiks von 1981 nicht wiederholten.

Die ehemalige RAF-Gefangene Monika Berberich, die 1988 nach über 17jähriger Haft entlassen wurde, nannte es auf der Pressekonferenz „absolut absurd“, wenn das Argument des „Gruppendrucks“ gegen die Zusammenlegung angeführt werde: „Wir haben uns über 18 Jahre lang den kollektiven Zusammenhang in Streiks erkämpft; das wäre mit Gruppendruck und hierarchischen Strukturen nicht möglich gewesen. Wer sich von der Gruppe lösen wollte, konnte das. Wir haben nur geraten, daß auf anständige Weise zu tun.“ Auf bohrende Fragen von Journalisten, ob der bewaffnete Kampf fortgesetzt werde, sagte Monika Berberich, die Kampfform „hängt von der Entscheidung jedes einzelnen ab“ und bestimme sich „aus der jeweiligen Situation“.

Während Generalbundesanwalt Rebmann in seiner Erklärung die „Vielzahl von Zeitschriften und Zeitungen“ als Beleg der Nichtisolation anführt, verwies Eckes‘ Anwält Klusmeyer darauf, daß Zeitungen nur in zerschnippelter Form bei den Gefangenen ankommen und auch Verteidigerpost der Zensur unterliege. Der ehemalige RAF-Häftling Roland Mayer schilderte, daß er sich selbst einen Monat vor seiner Entlassung nach 12jähriger Haft vor einem Besuch der Eltern nackt ausziehen mußte. Zu dem von Rebmann jetzt wiederholten Vorwurf, die Gefangenen würden sich in den Knästen „selbst isolieren“, weil „sie den Umgang mit anderen Gefangenen verweigern“, sagte Mayer, derartige Kontakte stünden unter strengster Observation.

Zu der Forderung nach Haftverschonung für kranke Häftlinge verweist Rebmann nur darauf, daß die Haftfähigkeit von Angelika Goder und Bernd Rössner überprüft wird. Die seit 63 Tagen hungernden Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo sind nach Angaben ihrer Anwälte sehr geschwächt, aber noch in relativ guter Verfassung. Dellwo sei noch nicht bettlägerig.

Die in der Gewerkschaft organisierten Richter und Staatsanwälte haben sich unterdessen für Zugeständnisse des Staates ausgesprochen: „Eine Haftunterbringung in größeren Gruppen ist rechtlich zulässig und zur Vermeidung einer Eskalation politisch sinnvoll.“ In ihrer gestern in Stuttgart veröffentlichen Erklärung betonen die Juristen weiter, ein Gruppenvollzug sei im Strafvollzugsgesetz ausdrücklich vorgesehen und stelle keinerlei Privilegierung für die Gefangenen dar. Im Grundsatz abzulehnen seien dagegen die Sonderhaftbedingungen. Sie führten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und wären überdies resozialisierungsfeindlich.

Die Hamburger Ärztekammer hat sich gegen eine Beteiligung von MedizinerInnen sowohl an der Zwangsernährung als auch an der sogenannten „Koma-Lösung“ ausgesprochen. In ihrem Beschluß vom Montag abend heißt es: „Die Verpflichtung des Arztes zur Hilfe findet dort ihre Grenze, wo ein eindeutiger, auf freier Willensbildung beruhender Beschluß des einzelnen vorliegt, eine ärtzliche Behandlung abzulehnen bzw. sich ihr sogar aktiv zu widersetzten.“ Die hanseatische Ärzteschaft beklagt weiter, daß die Bemühungen der Bundesärztekammer für ein Verbot jeglicher Form der Zwangsernährung beim Ge Fortsetzung Seite 2

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setzgeber bislang ohne Erfolg geblieben sind. Der Stellungnahme der konservativ orientierten Ärztekammer war ein Gespräch mit der Anwältin Brigitte Mohnhaupts, Anke Brenneke-Eggers, vorausgegangen. Rund 100 UnterstützerInnen des Hungerstreikes hatten am Montag das Gebäude vorübergehend besetzt.

Der hessische Landesvorstand der Grünen distanzierte sich gestern von den „politischen Zielen und Mitteln“ der RAF. Gleichzeitig forderte der Vorstand die Bundesregierung zu „Teilzugeständnissen“ an die Hungerstreikenden auf, um „die

täglich realistischer werdende Spirale des Todes aufzulösen“. Die Bonner Regierung wäre ansonsten für die „Wiederholung des Deutschen Herbstes“ des Jahres 1977 verantwortlich.

Kanzler Kohl hat sich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ausdrücklich hinter die Fraktion der Hardliner gestellt. Am Montag ließ er Regierungssprecher Friedhelm Ost verlautbaren, der Staat dürfe sich auf der Suche nach Möglichkeiten zur Beendigung des Hungerstreikes nicht erpressen lassen. Nach den Worten des Sprechers unterstütze Kohl die Linie des Bundesjustizministers Engelhard und setzte ebenso wie die Landesjustizminister auf die Gespräche Staatssekretärs Klaus Kinkel.

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