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Standortwerbung mit Aalsuppe, Roastbeef und Grütze

■ Es war schon immer etwas angenehmer, einen besonderen Geschmack zu haben, oder: Wie das Bundesland Bremen bei der Hannover-Messe auf sich aufmerksam machen will / Gediegene Gesprächsatmosphäre für Macher, Manager und Multiplikatoren

„Machen wir uns doch nichts vor: Mit der Wahrheit läßt sich erstens schlecht werben und zweitens keine Politik machen, schon gar keine Wirtschaftspolitik.“ So oder ähnlich muß die zugegebenermaßen richtige Ausgangsüberlegung bei der Bremer Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (WfG) gewesen sein, als man überlegte, wie sich der Standort Bremen/Bremerhaven denn auf der Hannover-Messe präsentieren solle.

Mit subventionierten Gewerbeflächen, billigen Stromtarifen, Wirtschaftförderungsmitteln werben? Das haben die anderen auch. Arbeitslosigkeit und marode Landesfinanzen betonen und an die sozial-und gesellschafspolitische Verantwortung von Unternehmen appelieren, in der krisengeschüttelten Region zu investieren? Nichts schlechter als das. „Bremen ist mehr als Krise“, sagt Bernd Linka von der Bremer Wirtschaftsförderungsgesellsch„Bremen ist alles, aber nicht Krise“, hätte er besser sagen sollen. Denn Bremen, soviel hat der bislang unwissende Besucher des rot-weißen Messe -Pavillons dazugelernt, das ist Gediegenheit in Farbe und Form. Das sind nette zuvorkommende Menschen, Gastgeber, die um das leibliche Wohl ihrer Besucher aufmerksamst bemüht sind.

Der Bremen-Pavillon auf dem Freigelände der Hannover

Messe, etwas abseits der großen Hallen, hat bereits eine kleine Tradition. Vor zwei Jahren versuchten die Wirtschaftsförderer die Aufmerksamkeit der Passanten mit einer Multimedia-Show im finsteren Raum zu gewinnen. Vergeblich. Im vergangenen Jahr piepsten, zischten, pfiffen und nervten irgendwelche high-tec-Apparaturen selbst Wohlwollendste alsbald wieder aus den Räumen. Lediglich Luigi Colani und sein Solarflugzeug sorgten für Aufmerksamkeit. In diesem Jahr ist alles anders.

Mag auch überall auf der Hannover-Messe gepriesen, geprahlt und geprotzt werden, das Bundesland Bremen hat dies kaum mehr nötig. Vor dem Eingang weist ein dezentes Plakat auf die ab Juni laufende Ausstellung „Gold des Kreml“ hin. Vier Bremer Jazzmusikanten spielen alles von „My Bonny is over the ocean“ bis „Take five“. Nie schrill, nie schräg, immer schön zum Schnippen. Und in dem in den Speckfarben bemalten Häuschen herrscht kulturvolle Gesprächsatmospäre. Spiegel machen aus dem kleinen Raum eine respektable Halle. Riesenposter an der Wand zeigen Gutes, Edles und Schönes aus Bremen und das ist auch noch alles wahr. Das Rathaus, das Focke-Museum, den Schütting, das Park-Hotel. Apropos Park -Hotel: Oskar Lafontaine hatte schon seine Gründe, als er einen Spit

zenkoch für seine Landesver tretung in Bonn engagierte. Mit kaum etwas läßt sich unauffälliger und weniger ehrenrührig bestechen, als mit einem formidablen Menu. Und die Köche des Parkhotels, das die Bewirtung übernommen hat, verstehen sich erstklassig auf Bremer Aalsuppe mit Schwemmklößchen, Roastbeef mit Kartoffelgratin, gebratene Riesengarnele und Bremer Grütze. Wirklich.

Was das alles soll? Bernd Linka erklärt: Also erstens sind die finanziellen Bedingungen bei Standortentscheidungen von Unternehmen nur eines von vielen Motiven. Und zweitens messen die „Oppinion leader“ in den Chefetagen der Konzerne der Lebensart, der Atmosphäre einer Stadt immer mehr Grwicht bei. Und: Auch die Bosse wollen gehegt, gepflegt, umsorgt werden, wollen gar spielen. Und so hat

Linka 4.400 Schlüssel-Bündchen quer durch Europa verschickt. Wenn nun ein Firmenvertreter mit Schlüssel in der vornehmen Bremer Hütte auftaucht, darf er einen Safe öffnen und findet - ein Schnoor-Spielzeug-Häuschen.

Bremen-Präsentation ist aber nur ein Gesichtspunkt für die Wirtschftsförderer. Außerdem soll der Pavillon Aufenthaltraum, Treffpunkt, angemessene Restauration für Bremer Aussteller

und deren Gäste sein. Daß die auf diese Nettigkeit zurückkommen werden, darf als gesichert gelten. Schließlich gibt es Roastbeef und edle Tropfen nicht zum ersten, zum zweiten, zum Schleuderpreis, sondern ganz umsonst.

420.000 Mark läßt sich die WfG die acht Tage Hannover-Messe kosten. Und was hat sie davon? Das weiß auch Linka nicht so ganz genau. Der Erfolg mißt sich jedenfalls nicht an kurzfristig akquirierten Geschäftsabschlüssen, das gibt's eh nicht, sondern daran, daß es den BesucherInnen gefallen hat.

„Wenn die Bremer etwas machen, machen sie es richtig“, flötet eine Stimme aus dem Off. Der hübsch-harmlose Film, mit dem der Hafensenator für Bremens Häfen werben läßt, geht zuende. Die Jazzmusikanten haben sich die Finger kalt gespielt und packen die Instrumente zusammen. Wenn das Wetter besser ist, so hoffen sie, wird auch der ein oder die andere vor dem Pavillon stehen bleiben. Dann macht ein Conferencier nette Spielchen und verlost Kugelschreiber. Damit muß sich dann das gemeine Messe-Volk zufrieden geben. Denn so gut, daß es Bremer Luxus zum Nulltarif für alle gibt, so gut geht's uns denn doch noch nicht. Das bleibt fürs erste den Machern, Managern und Multiplikatoren vorbehalten.

Holger Bruns-Kösters

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