: Studentenjobs per Losverfahren
■ StudentInnen berichten von ihren Erfahrungen mit Jobs und den studentischen Jobvermittlungen „Tusma“ und „Heinzelmännchen“ / Für 150 Angebote täglich rund 500 Jobsuchende / Das Los entscheidet
Von Sonne, Strand und Badefreuden können die meisten StudentInnen nur träumen. Zur Aufstockung ihrer mageren Bafög-Existenz sind sie gezwungen, in den Semesterferien zu jobben. Die allgemeine Misere auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich auch auf Jobs für StudentInnen aus. Michael Schünemann vom Vorstand des „Tusma“ beklagt vor allem das mangelhafte Angebot. Die „Tusma“ mit Sitz in der Hardenbergstraße vermittelt im Auftrag des Arbeitsamtes Jobs für StudentInnen der TU und HdK. Etwa 500 Jobsuchende stehen täglich nur rund 150 Angeboten gegenüber. Um bei diesem Andrang Chancengleichheit zu gewähren, werden morgens um sieben Uhr an alle Arbeitssuchende Lose ausgegeben. Die eingehenden Angebote werden dann in der Reihenfolge der Losnummern vergeben.
Enormer Andrang und fehlende Jobangebote bestimmen auch bei der Arbeitsvermittlungsstelle für FU-StudentInnen, den verkehrsungünstig gelegenen „Heinzelmännchen“ in Lichterfelde, das Bild, wie ihr Leiter, Gerd Krüger, auf Anfrage mitteilte. Auf der Positivseite verbucht er, daß die „Heinzelmännchen“ die Anzahl der vermittelten Jobs von 53.000 1986 auf 64.000 1988 steigern konnten. Den Anstieg führt er auf die „verstärkten Public-Relation-Maßnahmen“ der letzten Zeit zurück, wie sie bei der „Tusma“ schon länger üblich sind.
1985 lag die durchschnittliche Bezahlung nach Angaben von Krüger bei zehn Mark, heute werden zwischen elf und 15 Mark die Stunde gezahlt. Die StudentInnen müssen 2,5 Prozent ihres Lohnes als Vermittlungsgebühr abführen und erhalten im Gegenzug die steuerfreie Berlinzulage von acht Prozent der Lohnsumme. Die meisten von „Tusma“ oder „Heinzelmännchen“ vermittelten Jobs sind kurzfristige Aushilfstätigkeiten wie Verkaufs- oder Bauhelfer, Schreib- oder Putzkräfte. In der letzten Woche wollte die taz einmal von den StudentInnen selber erfahren, welche Erfahrungen sie beim Jobben gemacht haben und befragte sie nach persönlichen Erlebnissen.
Student aus dem Irak, 1. Sem., Elektrotechnik: Ich bin jetzt seit neun Tagen hier, habe aber nur einmal bei der Post 16 Stunden am Fließband Pakete nach Postleitzahlen geordnet und etwa 13 Mark die Stunde verdient. Mein Kollege war ein bißchen zurückhaltend, war ein richtiger Arbeiter.
Student, 1. Sem., Architektur: Ich habe einmal für vier Tage bei einem Gemüsestand gejobbt, für zwölf Mark aufbauen und abladen. Und dann für zwei Tage in einem Büro, da mußte ich Grafiken einkleben und habe 14 Mark verdient. Beim Gemüsehändler hatte ich ein krasses Erlebnis, da hat einer über die Polen erzählt, die da am Krempelmarkt ihre Lebensmittel verkaufen. Er meinte, daß Hitler wohl ein paar zu wenig vergast hat. Also solche Ansichten, das ist mir ganz schön aufgestoßen.
Student aus der Türkei, 10. Sem., Elektrotechnik: Ich habe in einer Kaffeefabrik gearbeitet. Da mußte ich wie ein Roboter immer was nehmen und ablegen. Bis mittags konnte ich das aushalten, dann habe ich den Meister gefragt, ob ich mit einem Kollegen tauschen kann. Da hat er mich erstaunt angeguckt und gesagt, daß hier normalerweise seit zehn Jahren eine Frau arbeitet und wie ich schon nach ein paar Stunden erschöpft sein könne.
Student, 6. Sem., Drucktechnik: Durch den Streik sind die Studenten nicht wie geplant in die autonomen Seminare gegangen, sondern haben nach Jobs Schlange gestanden. Plötzlich waren das hier fünfmal soviel Leute wie sonst. Eine Zeit lang habe ich vor allem für Privatleute Umzüge gemacht. Für Private zu arbeiten, ist eh besser, man bekommt mehr bezahlt, die Atmosphäre ist netter, die Leute sind korrekter. Bei Firmen muß man ewig auf sein Geld warten und weiß auch nicht, mit wem man zusammenarbeitet. Dann habe ich Entrümpelungen gemacht, im Supermarkt Getränke geschleppt. Bei Entrümpelungen habe ich oft Möbel geschenkt bekommen, meine ganze Wohnung besteht fast nur aus solchen Möbeln. Mein längster Job war ein halbes Jahr Aushilfskraft in einer Fernsehfirma.
Student, 1. Sem., Architektur: Das beste war der Weihnachtsmannjob. Das ist lustig. Für eine entsprechend gute Show bekommst du gutes Geld und kannst Kinder faszinieren. Je besser du spielst, desto mehr Geld bekommst du über das Trinkgeld. Pro Einsatz gabs 28 Mark. Ein anderer Job war im Gropiusbau, wo für Art-Direktoren eine große Party war. Da sollte ich kellnern, aber im Endeffekt bin ich nur mit einer Champagnerflasche rumgelaufen. Das war wunderbar.
Studentin, 9. Sem., Architektur: Ich habe geputzt, Kleider gereinigt, bedient, jedenfalls nichts, was mit meinem Studium zu tun hat. Einmal habe ich kein Geld gekriegt, weil der Chef sich einbildete, ich müßte dafür mehrere Male zu ihm kommen und jedesmal eine Stunde warten, bis er mir sein Geld gibt. Ich war zweimal erfolglos bei ihm, und erst auf Drängen eines Rechtsanwaltes, den ich selber bezahlen mußte, hat er überwiesen. Die „Tusma“ hat da in einem anderen Fall relativ wenig gemacht. Sie meinten, sie wären nicht meine rechtlichen Vertreter. Ich habe aber schon die Erwartung, daß die „Tusma“ in solchen Fällen für die Studenten eintritt oder da mal anruft. Positiv an der „Tusma“ ist, daß man immer wieder einen Job finden. Man darf sich nur nicht fragen, was es ist. In einem Hotel hat mal einer, weil er sich über mich geärgert hat, eine Schüssel nach mir geworfen und mir dann noch zwei Ohrfeigen gegeben. Das hätte der nicht gemacht, wenn ich keine Frau gewesen wäre. Gerade als Bedienung wird man auch sexuell belästigt, da hat mir der Oberkellner immer in die Gegend der Brust gefaßt.
Student aus den USA, 4. Sem., Musik: Ich habe Klavier bei einer Geburtstagsfeier gespielt, in Büros Türklinken poliert, LKWs entladen, Zelte ausgefegt, Weinkisten geschleppt und war Trauzeuge im Standesamt. Das Paar, also die beiden, die heiraten wollten, kannten sich anscheinend gar nicht richtig und waren ziemlich sauer miteinander. Ich mußte gar nichts machen, außer dabeisein und dann wars vorbei. Gute halbe Stunde Arbeit für 50 Mark.
thol
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