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■ „Das Celler Loch“ in der Filmbühne am Steinplatz

Schon der Name hat eine beträchtliche, weit ausholende Aura: Geheimdienst. Man hört: Es gibt Geheimnisse. Um die wir uns aber nicht kümmern brauchen, denn dafür hat es ja den Dienst. Ein Rest von Mißtrauen bleibt uns dennoch, und auf dem siedelt sich die exklusive Welt der Spionageromane und -filme an. Wo der Untersuchungsausschuß nicht hinkommt, schlägt James Bond zu. Wie jeder Spion hat auch er alle Autos, Swimmingpools, Menschen dieser Welt und darf sie zerstören, wann immer er will. Das ist sein Vorteil gegenüber den Millionären.

Genauso möchte der richtige Geheimdienstler auch sein. Ist er aber nicht. Er ist entweder ein Milchbart, Bürokrat, Angeber oder alles zusammen. Wenn er nicht mehr im Dienst ist, plaudert er gerne. Zum Beispiel vor Dokumentarfilmern, die ihre Kamera ins Celler Loch halten. Er sitzt wie bei Ambler in einem schmuddeligen Hotelzimmer, die Bettdecke ist zerwühlt, und eine einsame Nachttischlampe spendet spärliches Licht: korrektes Hotel-California-Ambiente. Dann erzählt er, wie knallhart, gerissen und mutig man als V-Mann sein muß.

Man glaubt es weder ihm, dem untersetzten älteren Herrn mit holländischem Akzent, noch dem beckenbauermäßig frisierten Enddreißiger auf der Familiencouch in Leder. Zusammen mit Lochte, dem demokratisch geläuterten Verfassungsschützer, sollen sie im Film „Das Celler Loch“ von Herbert Linkesch und Rudi Reinbold beweisen, wie kreuzdämlich der niedersächsische VS bei der „Operation Feuerzauber“ vorgegangen ist. Wie von der Auswahl der V-Leute über ihre Instruktionen bis zur Ausführung alles amateurhaft, um nicht zu sagen lächerlich gewesen ist. Das freut einen Pressefritzen drei Reihen weiter so, daß er sich auf die Schenkel klopfen muß: dümmer als die Polizei erlaubt.

Der Regisseur verneint zwar die Frage, ob dieser Film ein Plädoyer für einen besseren, womöglich sozialdemokratisch -alternativ koordinierten Verfassungsschutz sein soll. Doch streckenweise sieht sich der Film genauso: Selbst befangen in der geheimnisvoll-gefährlichen Welt der Spionage- und Counter-insurgency-Dienste, geht er den Enthüllungen der Insider auf den Leim. Daß der Film nicht vollends in diesem Leim steckenbleibt, hat zwei Gründe: Die Aktion wird nicht Sachzwängen zugeordnet, die sich aus dem deutschen Herbst 1977 ergeben haben.

Für Linkesch und Reinbold ist der Verantwortliche für das Celler Loch eindeutig Ernst Albrecht. Er hat nicht nur 1978, sondern auch 1986 politisches Kapital daraus gezogen. 1978 befand er sich auf der äußersten rechten Position gegenüber der RAF und verlangte härteres Vorgehen. Als seine Voraussagen über neue Entführungen, Bombenattentate etc. nicht eintrafen, schuf er mit dem Celler Loch selbst Fakten. 1986, kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl, versuchte er, die Aktion als einen vollen Erfolg für die wehrhafte Demokratie hinzustellen. Das dürfte, im Zusammenhang mit der Kampagne gegen das rot-grüne Chaos, nicht wenig Wählerstimmen gegeben haben.

Was für die richtigen V-Männer gilt, gilt auch für Ernst Albrecht: Man nimmt ihm nicht ab, daß er Ministerpräsident ist. Im Film sieht er aus wie ein frühzeitig vergreister Jugendlicher im Konfirmationsanzug. Unter dem sauber gezogenen Scheitel grinst er, als würde er sich schon jetzt darauf freuen, mit dem Luftgewehr gleich wieder auf Spatzen schießen zu dürfen. Man kann sich vorstellen, wie er nach zuviel Lektüre von Spörl (Feuerzangenbowle) auf den Namen „Aktion Feuerzauber“ gekommen ist.

Aber das Celler Loch war eben mehr als ein Streich dummer Jungen. Mindestens zwei Menschen haben darunter zu leiden gehabt: Manfred Gürth, in dessen Wohnung die V-Männer eine Bombe deponierten, und der dafür über drei Jahre Haft bekam sowie Sigurd Debus, dessen Befreiung man vortäuschen wollte. Nach dem inszenierten Sprengstoffanschlag auf das Celler Loch wurde Debus unter Haftverschärfung gestellt. Er starb 1981 im Hungerstreik.

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„Das Celler Loch“ ab heute bis zum 12.4. täglich um 18.30 Uhr in der Filmbühne am Steinplatz. „Das Celler Loch“ ist nicht identisch mit der gleichnamigen, kürzlich ausgestrahlten Fernsehdokumentation.