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Wieder im Kino:

■ Der schöne Tod in Venedig

Viscontis Film habe ich vor ungefähr fünfzehn Jahren gesehen. Ich war sehr jung, voller Weltschmerz und fühlte micht nicht ernst genommen. Kaum einer schien wie ich an der Realität zu leiden, unter dem Mangel an Poesie und Schönheit im Alltag. Leben ertrank in Mittelmäßigkeit.

Viscontis verstand mich. Er war damals schon ein älterer Mann, aber er begriff, wie ich fühlte. Er trauerte mit mir und entwarf eine Gegenwelt voller Schönheit, Verfall, Trauer und Opulenz. Er setzte seine Bilder gegen meine tristesse. Der Film explodierte in meinem Kopf. Als ich das Kino nach drei Stunden verließ, sah die Welt für Wochen anders aus.

Ich kann mich an kaum einen Film erinnern, den ich so lange mit mir herumtrug und der meine Sehgewohnheiten so nachhaltig verschob. Noch heute sehe ich manche Bilder vor mir: Den alternden Schriftsteller, der in seinem blütenweißen Anzug durch die zerfallenden Gassen Venedigs irrt, verzweifelt auf der Suche nach seinem angebeteten Geliebten. Aschenbachs Gondelfahrt durch die aufgewühlte Lagune. Und die Musik von Gustav Mahler, deren Pathos den Bilder noch mehr Schwere gab.

Wahrscheinlich werde ich den Film heute anders empfinden. Ich bin realitätstüchtiger geworden. Ich leide nicht mehr ununterbrochen an mir und der Welt. Ich akzeptiere, was nicht zu ändern ist. Ich lache über Dinge, die eigentlich zum Weinen sind.

Damals war das anders. Das Leben war tragisch und „Tod in Venedig“ ästhetisierte dieses Lebensgefühl. Er ist ein überwältigender Abgesang auf die Unmöglichkeit des Glücks. Er erzählt von der Qual des Alterns, vom Verfall großer Kulturen, von der Unmöglichkeit reiner Liebe und der Vergänglichkeit alles Lebens. Er ist unendlich schwermütig und setzt ein einziges Mittel gegen die Katastrophe des Mensch-Seins: Die Suche nach Schönheit. FW

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