: Anti-Presse-Aktion der Siedler
Israels Siedler verteilen „Presseschilder für alle“ / Pressearbeit in besetzten Gebieten erschwert ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Seit neuestem verzichten ausländlische und israelische Journalisten lieber auf die seit Beginn des Palästinenseraufstands gängigen Presseschilder hinter der Windschutzscheibe, wenn sie im Auto durch die besetzten Gebiete fahren. Grund: Die Pappkarten erfreuen sich plötzlich bei israelischen Siedlern großer Beliebtheit. Mitglieder des „Komitees für Sicherheit auf den Straßen“ von dem militanten Rabbi Meir Kahane hatten die Schilder letzte Woche umsonst an Tankstellen verteilt.
Ursache ist jedoch nicht, daß die Siedler nun plötzlich alle zu Feder, Schreibmaschine oder dem transportablen Kleincomputer „lap-tap“ greifen, um den Journalisten den Job wegzunehmen. Hintergrund ist vielmehr der Protest von Journalisten gegen die zweckentfremdete Verwendung von Presseschildern wie kürzlich bei Angehörigen des israelischen Geheimdienstes, die bei ihrer Aktion eine fünfzehnjährige Palästinenserin geschlagen und festgenommen hatten.
Ergebnis der Siedler-Aktion „Presseschilder für alle“ ist, daß auch die Autos wohlmeinender Journalisten Zielscheiben für palästinensische Steinewerfer geworden sind. Und genau das beabsichtigen die Siedler. Der Journalist Glenn Fraenkel, der für seine Berichterstattung in der 'Washington Post‘ über die Intifada den Pulitzer-Preis erhielt, meinte, der Mißbrauch der Pressekarten gefährde nicht nur die Journalisten bei ihrer Arbeit, sondern führe dazu, daß sie „als Teil des Gegners angesehen werden“. Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Presseleuten und Palästinensern ist altes Ziel der Siedler, die den Journalisten schon immer eine einseitige Berichterstattung aus den besetzten Gebieten vorgeworfen haben. Auch die israelischen Behörden haben keinen Anlaß, die jüngste Entwicklung zu bedauern.
Mittlerweile verzichten die Journalisten lieber auf ihre Pressekarten und weichen auf arabische Busse und Taxis aus oder unternehmen ihre Touren gemeinsam mit einem Palästinenser. Doch Palästinenser wurden wegen dieser Zusammenarbeit wiederholt von den Soldaten geschlagen, angeschossen oder inhaftiert. Nun haben Journalisten damit gedroht, künftig keine Zeile mehr über die Siedler zu schreiben, falls diese nicht aufhören, mit Pressekarten herumzufahren.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen