Herzhaft Bissiges

■ Fay Weldons neuer Roman um Fluch, Sünde und ein böses Ende

Zwei Hasen mümmeln vor sich hin, ein Fuchs mit feurigen Augen lugt aus seinem Bau, Kühe weiden friedlich auf sanften grünen Hügeln. Klar, denn schließlich befindet sich hier The Heart of the country. Mit diesem Trailer beginnt die gleichnamige britische Fernsehserie der englischen Romanschriftstellerin Fay Weldon. Nach dem Motto „Darf's ein bißchen mehr sein“ treibt es die erfolgreiche Autorin wieder mal auf die Spitze. Die Idylle wird überzeichnet, tut weh und verkommt zum Kitsch. Aber der macht schon wieder Spaß und reizt zum Lachen. Die Fernsehserie wird wohl kaum von unseren Rundfunkanstalten eingekauft werden. Dafür jedoch gibt's das makaber-ironische Brandspektakel aus dem biedermännischen Alltag englischer middle-class in roten Umschlag gebunden zum Lesen für Weldon-Fans.

In rasantem Tempo verändert sich für die adrette Natalie das Leben. War ihre Welt morgens um sieben noch in Ordnung, ganz brave Hausfrau und Mutter, ist sie es ab dem Zeitpunkt, als ihr Göttergatte Harry das Haus verläßt, schon nicht mehr. Die Fassade des bürgerlichen Wohlstands bricht zusammen. Denn Harry brennt mit der örtlichen Karnevalsprinzessin durch und hinterläßt der ahnungslosen Naiven nur Schulden. Und damit fällt sie einige Treppen tiefer im Sozialgefüge des netten Städtchens und findet sich auf einer Stufe mit der resoluten Sozialhilfeempfängerin Sonia wieder. Wer Fay Weldon kennt, weiß, daß in dem Buch nicht gejammert oder gar wehleidig lamentiert wird über das Schicksal von Frauen. Geschont wird niemand. Auch nicht die arme sitzengelassene Natalie. Hat sie sich doch zu sehr auf die Versorgungseinrichtung Ehe verlassen und ist darüber zum pflegeleichten Püppchen geworden. Gleichzeitig jedoch wird keine der Figuren denunziert. Wie auch in ihren anderen Büchern ist der Ton Fay Weldons liebevoll spöttisch bis herzhaft bissig. Und natürlich gibt's auch immer wieder eine Message und eingestreute Lebensweisheiten, die mich noch nie gegen die Autorin aufbrachten. Denn der warnend phallisch erhobene Zeigefinger fehlt. Die „traurige Wahrheit“, daß „Frauen, die vom Wohlwollen der Männer abhängig sind“, ihr Leben nicht in der Hand haben, ist nun mal so banal wie richtig.

„Die Familie ist ein Spiegel der großen Welt: Die Macht hat, wer das Geld nach Hause bringt“, weiß Fay Weldon. Geld gleich Macht, diese Formel ist uralt, aber die Frauen haben sich immer schwer getan, damit umzugehen. Der Weg zu den Geldtöpfen wurde ihnen nicht selten von den Männern verbaut. Durch Liebesgeflüster eingelullt, erschraken sie vor dem harten Klang der zahlenden Münze. Auch Natalie entdeckt, daß dies der Dreh- und Angelpunkt im Leben ist, und Sonia weiß es längst. Freilich versteht auch die 56jährige Fay Weldon Göttin sei Dank was vom Geld. Ihr letzter Roman Herzenswünsche entstand in 48 Fortsetzungen für die englische Frauenzeitung 'Woman‘. Fürs fertige Buch kassierte sie noch mal.

Wer ihre Bücher kennt, kommt wohl kaum auf die Idee, sich die Schreiberin als nette, blonde, etwas rundliche, glücklich verheiratete Frau vorzustellen. Doch bei näherem Hinschauen ist der Schalk im Nacken nicht zu übersehen, auch wenn ihre Stimme sanft klingt. Ihr Mann Ron ist Antiquitätenhändler, Maler und Jazzmusiker. Das von wildem Wein überwucherte Haus, in dem die Weldons in Somerset im Westen Englands leben, sieht aus wie aus dem Bilderbuch. Trotzdem ist die 56jährigie nicht ganz zufrieden. Ihre Idealvorstellung: das Haus o.k., aber wenn, dann schon neben dem Sender BBC, für den sie ihre Serien schreibt, darunter auch die frühen Folgen der Vorabendserie Eaton Place.

Den ersten Roman schreibt die Mutter von drei Söhnen, als sie mit 30 ihren zweiten Sohn erwartet. Durch Haushalt und Kinder läßt sie sich nicht am Schreiben hindern. Als Tochter eines Arztes wird sie in London geboren. Nachdem die Familie nach Neuseeland auswandert, lassen sich die Eltern scheiden. So kommt es, daß Fay Weldon in einem Frauenhaushalt mit Schwester, schriftstellender Mutter und Großmutter aufwächst. Zurückgekehrt nach London, geht sie zum Studium nach Schottland. Ihr Examen in Psychologie und Wirtschaftswissenschaft macht sie bereits als 20jährige. Trotz dieses Erfolgs fühlt sie sich als Kind geschiedener Eltern immer benachteiligt, besonders finanziell, und nicht dazu gehörig.

Zum Weldon-Lesegenuß kommt demnächst hoffentlich auch optisches Vergnügen auf der Leinwand. Der neueste Coup der Drehbuchschreiberin Fay Weldon: Ihr rachsüchtiger Thriller Die Teufelin wird verfilmt. Die Hauptrolle spielt Meryl Streep, Regie führt Susan Seidelmann. Luitgard Koch

Fay Weldon: Kein Wunder, daß Harry sündigte, 320 S., 32 DM

Die Teufelin, 1988, 288 S., 32 DM

Herzenswünsche, 420 S., 34 DM

alle im Frauenbuchverlag,

München

Lebensregeln, Heyne, 22,80 DM

Briefe an Alice, rororo neue frau, Reinbek 1987, 7,80 DM