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Maulkorb für einen aufmüpfigen Landrat

Disziplinarverfahren gegen Schwandorfer SPD-Landrat und konsequenten WAA-Gegner Schuierer wird morgen eröffnet / Kritik an Polzeieinsätzen - „Terror in Vollendung“ und die „CSU-Demokratur“ Straußscher Prägung soll gegen das „Gebot der Mäßigung“ verstoßen haben  ■  Von Bernd Siegler

Wenn heute morgen um 9.00 Uhr Richter Kadlubski die Sitzung der zehnten Kammer des Regensburger Verwaltungsgerichts in Sachen „Disziplinarverfahren gegen den Schwandorfer Landrat Hans Schuierer“ offiziell eröffnet, hat die bayerische Staatsregierung schon eine herbe Niederlage erlitten: Ein immenses Medienaufgebot aus dem In- und Ausland verschafft dem vom WAA-Gegner zum Volkshelden avancierten, weit über die Grenzen der Oberpfalz hinaus bekanntgewordenen SPD -Landrat eine Publizität wie nie zuvor.

Seitdem der Freistaat Bayern den Wettlauf um den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage gegen seinen direkten Konkurrenten Niedersachsen u.a. mit dem Argument einer zu erwartenden großen politische Akzeptanz der WAA in der Oberpfalz für sich entschieden hat, ist der 1984 mit satten 70,2 Prozent wiedergewählte Sozialdemokrat Hans Schuierer der bayerischen Staatsregierung ein Dorn im Auge. Wie kein anderer wurde der Landrat zur Symbolfigur des Widerstands gegen die WAA in der Region. Als er sich im Herbst 1984 entgegen einer Anweisung der Bezirksregierung der Oberpfalz und des Bayerischen Innenministeriums geweigert hatte, die öffentliche Auslegung der WAA-Bebauungspläne anzuordnen, beschloß die Staatsregierung ein Gesetz, das fortan „Lex Schuierer“ genannt wurde. Der sogenannte „Selbsteintritt des Staates“ beschnitt von da an die Rechte der gewählten Landräte, indem eine Weigerung des Landrats durch eine Weisung der übergeordneten Bezirksregierung übergangen werden konnte.

„Sabotageversuche eines SPD-Funktionärs“

Als Schuierer sich davon nicht beeindrucken ließ, sondern weiterhin öffentlich seine Gegnerschaft zu der inzwischen zum Prestigeobjekt für die Staatsregierung gediehenen WAA bekundete, begann man in der Münchener Staatskanzlei mit der Beweiserhebung für ein disziplinarrechtliches Vorgehen gegen den gewählten Beamten. Akribisch wurden Reden des Landrats mitnotiert, Zeitungsartikel durchforstet und Schuierers Beteiligungen an Demonstrationen aufgelistet. Schon im Januar 1986, kurz nachdem die ersten Bäume im Taxöldener Forst gefällt worden waren, startete die Regierung der Oberpfalz auf Weisung des Innenministeriums die offiziellen Vorermittlungen wegen des Verdachts von Dienstvergehen. Vier Monate später wurde dann das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Bis zur Anschuldigungsschrift vergingen noch fast zwei Jahre. Von ursprünglich 18 „Tatbeständen“ finden sich darin nur mehr fünf wieder.

Daß Schuierers Bild als eines von 465 Porträts in einer im August 1985 in der 'Mittelbayerischen Zeitung‘ gedruckten Anzeige erschien („Wer sind die Leute, die gegen die geplante WAA in der Oberpfalz eintreten?“), wertet der Landesanwalt inzwischen nicht mehr als Dienstvergehen. Auch Schuierers Teilnahme an einer Geburtstagsfeier des Vorsitzenden des Bundes Naturschutz in Bayern, Hubert Weinzierl, im Dezember 1985 im Taxöldener Forst erschien der Regierung nicht mehr für verfolgungswürdig, obwohl die Ermittler von einer „mehrstöckigen Geburtstagstorte“, serviert mit Tee und Punsch, hatten berichten können. Für eine grobe Pflichtwidrigkeit und ein Dienstvergehen wird dagegen die Teilnahme des Landrats an einer nicht angemeldeten Demonstration gegen die WAA im August 1985 im Taxöldener Forst gehalten. Bei der mit einem immensen Polizeiaufgebot durchgeführten zweiten Räumung des Hüttendorfs im Taxöldener Forst am 7.Januar 1986 soll Schuierer erst nach der zweiten Aufforderung der Polizei das abgesperrte Areal verlassen haben. Daß der SPD-Mann angesichts des harten Vorgehens der Polizei mit 787 Festnahmen an einem Tag von „Terror in Vollendung“ gesprochen hatte, sei - so die Anklageschrift - eine durch nichts gerechtfertigte „Diffamierung der Polizei als Organ des Staates“.

Nachdem Franz Josef Strauß Anfang Februar 1986 von „Sabotageversuchen eines SPD-Funktionärs“ gesprochen hatte, hatte sich Schuierer mit deutlichen Worten gewehrt. Seine Worte vom „Zynismus und brutalen Durchsetzungsmethoden Straußscher Prägung“ finden sich jetzt in der Anschuldigungsschrift ebenso wieder wie seine Kritik am Vorgehen der Polizei während der Großdemonstration am 14.Dezember 1985 im Taxöldener Forst kurz vor der ersten Platzbesetzung. „Der Polizeieinsatz schützt die Ein-Mann -Demokratie“, hatte der Landrat damals festgestellt. Schuierer kündigte an, daß die WAA-Gegner „die Lügen, Unwahrheiten, Täuschungen und Tricks“ aufklären und der „Großmannssucht der CSU-Demokratur“ Grenzen setzen werden.

Geste der Unterwerfung verweigert

Mit seinen Äußerungen und Verhaltensweisen habe sich der Landrat als Leiter einer Behörde, die im Genehmigungsverfahren der WAA involviert ist, „bewußt der Gefahr der Befangenheit“ ausgesetzt, damit seine Einsatzfähigkeit beeinträchtigt und gegen das Gebot zur Mäßigung verstoßen, folgert die Regierung. Auch kommunale Wahlbeamten wie z.B. die Landräte müßten der Verpflichtung zur Zurückhaltung unterliegen. Doch schon 1964 hatte es im Bayerischen Landtag und in den zuständigen Ausschüssen harte Diskussionen um dieses Mäßigungsgebot gegeben. Mehrheitlich wurde die Vorschrift als „Maulkorberlaß“ bzw. „Lähmungsartikel“ verstanden und abgelehnt. Ende April 1964 schließlich beschloß der Bayerische Landtag, auf einen entsprechenden Passus bei Wahlbeamten zu verzichten. Bei dem Disziplinarverfahren jetzt, so Schuierer, komme es genau darauf an, festzustellen, was ein Wahlbeamter in seiner Funktion als Politiker überhaupt noch sagen darf.

Schuierer weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und sieht dem Verfahren gelassen entgegen. Im Gegenzug fordert er „unteilbares Recht für alle“ und führt persönliche Angriffe von Strauß und anderen Kabinettsmitgliedern auf seine Person an, die disziplinarrechtlich bislang ohne Konsequenzen geblieben sind. Strauß und der damalige Innenminister Lang hatten Schuierer einen „Saboteur“, „Rädelsfüher“ und „Steigbügelhalter des Kommunismus“ genannt. Als der Landrat sich im vergangenen Winter weigerte, mit einer Geste der Unterwerfung den Streit und damit womöglich das Verfahren zu beenden, verglich ihn der Oberpfälzer Regierungspräsident Karl Krampol mit einem „Strolch“.

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