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Versäumnisse der UNO

Aus Kostengründen sind zu wenige UNTAG-Friedenstruppen in Namibia stationiert  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Schwere Vorwürfe sind von verschiedenen Seiten gegen die UNO erhoben worden, deren Friedenstruppen die zur Zeit im Norden Namibias wütenden Kämpfe nicht verhindern können. „Die Verantwortung für die Entwicklung in Namibia liegt eindeutig bei den Vereinten Nationen“, sagte Uschi Eid, Bundestagsabgeordnete der Grünen, am Mittwoch nach einem mehrtägigen Besuch in Namibia. Sie sprach von der „Unfähigkeit der UNO, tatsächlich den friedlichen Übergang Namibias in die Unabhängigkeit zu führen“.

Auch der Präsident des südwestafrikanischen Volksorganisation Swapo, Sam Nujoma, dessen Guerillas in Namibia von südafrikanischen Einheiten mit Erlaubnis des UNO -Beauftragten Martti Ahtisaari niedergemacht werden, warf den UNO-Friedentruppen Nachlässigkeit vor. Und Simbabwes Präsident Robert Mugabe, Vorsitzender der Bewegung der blockfreien Staaten, kritisierte Ahtisaaris Entscheidung, einzelnen südafrikanischen Militäreinheiten eine Beteiligung an den Gefechten zu erlauben, gebe „Anlaß für Zweifel an Ahtisaaris Eignung, eine derart große Verantwortung zu tragen“, schrieb Mugabe an Perez de Cuellar.

Perez selbst gibt die Vorwürfe an die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates (USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich und China) weiter. Diese hätten durch wochenlanges Feilschen um die Finanzierung der „United Nations Transition Assistance Group“ (UNTAG) für Namibia eine fatale Verzögerung des Einsatzes verursacht.

Aus UNO-Dokumenten geht hervor, daß gerade die Überwachung der Grenze zu Angola aus Kostengründen niedrigste Priorität im UNO-Plan genoß. Entgegen den ursprünglich in der UNO -Resolution 435 vorgesehenen Regelungen hatte der Sicherheitsrat Mitte Januar Perez gebeten, Vorschläge für eine Kostenreduzierung zu erarbeiten. Aus dem daraufhin erarbeiteten Bericht des Generalsekretärs geht hervor, daß schon im Dezember 1988 eine Delegation von Vertretern der ständigen Mitglieder Perez aufgefordert hatte, durch eine Verminderung der geplanten Zahl von 7.500 Soldaten „eine größtmögliche Reduzierung der Kosten zu erreichen“. Die Mitglieder machten sich Sorgen, daß sie 57 Prozent der Kosten für UNTAG tragen müßten, und warnten, daß damit die Finanzierung zukünftiger Friedensprozesse gefährdet wäre.

Perez kam zwar zu dem Schluß, daß vor allem die Beobachtung des Waffenstillstands, die Überwachung der Grenze und die Verhinderung von Infiltrierung eine große Zahl von Soldaten benötige. Einige Mitglieder des Sicherheitsrates beharrten aber darauf, daß „die jüngsten Fortschritte im südwestafrikanischen Friedensprozeß gerade die Notwendigkeit der Überwachung der Grenze und der Verhinderung von Infiltrierung reduziert“ hätten.

Daraufhin konzentrierte Perez das Engagement der UNTAG -Truppen auf die Überwachung der Auflösung südafrikanischer Militäreinheiten, die Beobachtung südafrikanischer Truppen in Namibia, von Swapo-Einheiten in Nachbarländern und die Kontrolle von Militäreinrichtungen im Norden Namibias.

Die blockfreien Staaten hatten Perez demgegenüber gewarnt, daß die Situation in Namibia noch komplizierter geworden und die südafrikanische Militärpräsenz gewachsen sei. Sie forderten deshalb eine Vergrößerung der UNTAG-Truppen.

„Die Differenzen drehen sich um die Frage, wie stark man den verschiedenen Parteien des vorgeschlagenen Abkommens vertraut, ihre Abmachungen auch wirklich einzuhalten“, schrieb Perez. „Ich muß davon ausgehen, daß alle Parteien zu ihren Abmachungen, die sie feierlich eingegangen sind, stehen werden.“

So begründete der Generalsekretär schließlich die Reduzierung der Truppen auf 4.650 Soldaten und die Kostensenkung auf 416 Millionen Dollar. Daß aber gerade die Swapo ihre Zusicherungen nicht einhalten würde, daran hatte vor dem 1.April wohl niemand gedacht.

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