Die CSU auf wilder Flucht nach vorn

Das parteiinterne Personalkarussel für Ministerposten in Bonn dreht sich schneller / Waigel soll Finanzminister werden / So will die CSU raus aus dem Stimmungstief: kein Rückzug nach Bayern, keine bundesweite Ausweitung, aber mehr Präsenz in Bonn  ■  Aus München Luitgard Koch

Noch vor wenigen Tagen wollte sich der CSU-Generalsekretär, Erwin Huber, partout nicht dazu äußern. Jetzt ist es raus: Der schwäbische Maurersohn und CSU-Vorsitzende, Theo Waigel, soll auf den Finanzministersessel. Verraten hat es Bayerns Ministerpräsident Max Streibl. Und der wird es wohl wissen, hat er doch erst vor kurzem alle Gerüchte von Konkurrenz und Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Waigel scharf zurückgewiesen. Von einem Rückzug der CSU-Minister aus Bonn kann also demnach keine Rede sein. Die Devise der Schwarzen scheint nicht „Ausstieg“, sondern „Mitmischen“ zu sein. Waigel hat seine für Beginn nächster Woche vorgesehene USA -Reise verschoben, um bei der Regierungsumbildung in Bonn ganz dicht dabei zu sein. An einer „neuen Weichenstellung“ in Bonn will die CSU jetzt „konstruktiv mitwirken“, so Huber.

Keine aktuellen Pläne mehr hat die CSU derzeit für eine Ausweitung im Bund. Diesmal sehen die Schwarzen ihre Chance gekommen, neue CSU-Minister ins Bonner Kabinett zu hieven. Noch läßt die CSU nicht ab von Innenminister Zimmermann, auch wenn „Old-Schwurhand“ in seinem eigenen Wahlkreis Landshut bei der Parteibasis unten durch ist. Dort ließ er sich nämlich kaum blicken.

Für Waigels Posten als neuer Bonner CSU-Landesgruppenchef ist bereits gesorgt. Der 50jährige parlamentarische Geschäftführer der Bonner Unionsfraktion und ehemalige Oberregierungsrat von Unterfranken, Wolfgang Bötsch, sitzt angeblich schon in den Startlöchern. Zum Abschuß freigegeben ist dagegen CSU-Wohnungsbauminister Oskar Schneider. Der 62jährige ist selbst bei dem eher moderat wirkenden Pfeifenraucher Waigel in Ungnade gefallen. Grund: Er hatte die Zeichen der Zeit nicht schnell genug erkannt und war zu lange mit der Propagandalüge von der nichtexistierenden Wohnungsnot hausieren gegangen. Dafür mußte er beim „Wadlbeißer“ Stoiber nachsitzen, um mit ihm ein Wohnungsbauprogramm auszuarbeiten. Mit dieser Glanzleistung hat sich der neue bayerische Polizeiminister Stoiber bereits die Sporen verdient, um sich als Wohnungsbauminister ins Gespräch zu bringen. „Medienspürhund“ Stoiber wurde bereits zu Strauß-Zeiten im Sommer vergangenen Jahres als Kabinettsaspirant für Bonn gehandelt. Wer soll jedoch dann das verwaiste bayerische Innenministerium übernehmen? Wie es scheint, beginnt der rapide gesunkene Stern des abgehalfterten Hardliners Peter Gauweiler wieder aufzusteigen. Angesichts der rechtsradikalen „Schönhuberei“ steigt sein Ansehen wieder, und der Jungeselle, jetzt zuständig für Spannbetondecken in Viehställen, gilt der Parteiführung bereits wieder als „unverzichtbar“.

Ob beim Bonner Stühlerücken auch CSU -Landwirtschaftsminister Kiechle vom Stuhl fällt, ist noch ungewiß. Denn noch schlimmer als der glücklose Kiechle wäre für die CSU der norddeutsche Großagrarier Constantin von Heeremann, der den CSUlern noch die letzten Chancen bei den Bauern vermiesen würde. Etwas wackelig auf seinem Stuhl sitzt auch CSU-Verkehrsminister Jürgen Warncke. Den fränkischen Synodalen der Evangelischen rettet anscheinend nur der bayerische Stammesproporz.

Ausschuß gegen Tandler

Hoch im Kurs steht dagegen derzeit der jetzige Finanzminister Tandler. Daß die zweifelhaften Immobiliengeschäfte des gelernten Bankkaufmanns einen Untersuchungsausschuß im Landtag beschäftigen, stört dabei niemand. Denn „harte Männer“ sind momentan in der CSU rar, als Bindemittel für den abwandernden rechten Rand jedoch für die Schwarzen besonders wichtig. Dem Altöttinger Postwirt könne gar der Posten des ramponierten Verteidigungsministers Rupert Scholz angetragen werden, wird gemunkelt. Doch eigentlich wird Tandlers Bärbeißigkeit im Freistaat gebraucht. Dem ehemaligen CSU-Generalsekretär rechnen viele seiner Parteispezln hoch an, daß er zu guter Letzt beim geheimen Gerangel um das Strauß-Erbe Waigel doch den Vortritt gelassen hat und es nicht zu einem offenen Zweikampf kommen ließ. Beim kommenden CSU-Parteitag im November soll der Sudetendeutsche deshalb auch belohnt und wenigstens stellvertretender CSU-Chef werden. Umworben wird der ehemalige Kronprinz von Strauß auch von der Münchner CSU. Der arrogante Erich Kiesl, wegen seines Senkrechtsstarts auch „Propeller-Erich“ genannt, ist als Münchner CSU-Vorsitzender unten durch. Tandler hat jedoch bereits dankend abgelehnt. Und auch hier taucht wieder der Name von Saubermann Gauweiler auf.

Die Basis meckert

Ein politischer Tiefausläufer hat die Christsozialen aber auch innerparteilich erwischt. Vor allem an der CSU-Basis ist das Stimmungsbarometer auf den Tiefpunkt gerutscht. Bei einem geheimen Treffen im oberbayerischen Aying konstatierten die CSU-Oberen gar „eine richtiggehend grassierende Unsicherheit“. Und was noch schlimmer ist: Die „größten Miesmacher kommen aus den eigenen Reihen“. So handelte sich die CSU-Landtagsabgeordnete, Rita Schweiger, eine „Watschn“ ein. Die Bäuerin aus Nandlstadt verprelle durch ihren „grenzenlosen Pessimismus“ in Sachen Landwirtschaft die Bauern. Aber auch die Ortsvorsitzenden auf dem Land wissen nicht mehr, wie sie mit „Nörglern“ fertig werden sollen. Aus Hilflosigkeit und um ihren Kopf zu retten, werden sie dann zu den schärfsten Kritikern. Schuld an dem Debakel sind natürlich wie immer die Bonner. Durch die vielen Bonner Reformmaßnahmen seien die Leute einfach überfordert. Natürlich war auch die Verschärfung der Asylpolitik Thema. Aber auch die zu „großzügigen und ungerechtfertigten Leistungen“ für die Aussiedler schmecken der CSU-Basis nicht. Mit dem Hinweis, daß bei der anstehenden Rentenreform als erstes das Fremdrentengesetz korrigiert werde, versuchte Waigel die Gemüter zu beruhigen. Auch Geißlers Kopf wurde wieder einmal gefordert.