: Arbeitlose beim Bremer DGB ohne Adresse
■ Arbeitslosen-Beratung findet im Gewerkschaftshaus nicht mehr statt / DGB-Arbeitskreis „Arbeitlose Gewerkschafter“ von DGB-Chef aufgelöst / Alternative bislang nicht in Sicht / DGB-Chef Heinz Möller mit eigenen Karriere-Plänen beschäftigt
36.692 Menschen sind in Bremen arbeitslos. Beim Bremer DGB gibt es seit einer Woche nicht mal mehr eine Beratung für sie. Zum 1. April wurde die Arbeitslosen-Beratungsstelle des DGB geschlossen, der einzige Mitarbeiter zog aus dem DGB -Haus aus und verstärkt seither ein kleines Team von Arbeitslosenberatern in der Angestelltenkammer.
Wenn es nach den Plänen der Angestelltenkammer gegangen wäre, wäre er dort bereits auf 12 bis 15 Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeiter gestoßen, die sich hauptamtlich um Weiterbildung, Beratung und psychologische Betreuung von Arbeitslosen kümmern. Aber: Bei DGB, Arbeiter-und Angestelltenkammer liegt das Projekt einer professionellen Arbeitslosenberatung seit Monaten auf Eis.
Ohne gewerkschaftliche Fürsorge müssen Bremens Arbeitslose seit rund 10 Wochen allerdings auch auf anderer Ebene auskommen. Am 30. Januar be
schloß der Bremer DGB-Vor stand auf Antrag seines Vorsitzenden Heinz Möller einstimmig, den DGB-Arbeitskreis „Arbeitslose Gewerkschafter“ aufzulösen. Fünf Jahre nach seiner Gründung gab es den losen Zusammenhang einer gewerkschaftlichen Arbeitslosen-Vertretung plötzlich nicht mehr. Den Betroffenen hatte DGB-Chef Möller diese Entscheidung damals mit der Aussicht auf einen neuen, richtig offiziellen und von allen Einzelgewerkschaften getragenen neuen Arbeitskreis schmackhaft gemacht - mit Antragsrechten, Finanz-Ausstattung und eigenen Räumen. Auf einer Pressekonferenz begrüßten sie damals ihre eigene Auflösung ausdrücklich.
Inzwischen fühlen sich Bremens arbeitslose Gewerkschafter schlauer und vom Bremer DGB-Chef erstklassig aufs Kreuz gelegt. Denn der versprochene neue DGB-Arbeitskreis für Arbeitslose ist nicht in Sicht. Um ihn förmlich zu konstituieren, müß
ten alle Einzelgewerkschaften Mitgliederversammlungen durchführen und ihre VertreterInnen für die neue Arbeitslosen-Vertretung im Bremer DGB wählen. Ebenso der Frauenausschuß, der Jugendausschuß, die Arbeitskreise „Ausländer“ und „Schwerbehinderte“. Anstalten zu den notwendigen Wahlen sind allerdings bislang weder bei der Mehrheit der Einzelgewerkschaften noch bei den DGB -Ausschüssen zu entdecken. Um sich die „überflüssigen“ Mitgliederversammlungen zu sparen, würden die Gewerkschaften lieber im Vorstandskreis ihre Arbeitslosen-Vertreter delegieren. Ergeb nis wäre eine gewerkschaftliche Arbeitslosenvertretung aus hauptamtlichen Gewerkschafts -Funktionären, in dem die Betroffenen nicht mal mehr bei den Delegiertenwahlen beteiligt wären.
Inzwischen haben die arbeitslosen Gewerkschafter denn auch eine ganz andere Erklärung für ihre Auflösung gefunden als die Sorge des Bremer DGB-Chefs um ihre aktive Interessenvertretung. Sie lautet: Der Bremer DGB-Chef wollte den aufmüpfigen und unkalkulierbaren Arbeitslosen-Kreis zerschlagen. Letzter Anstoß für Heinz Möller war dazu ein Interview mit dem Sprecher des alten AK „Arbeitslose Gewerkschafter“, Michael Burwitz, in der Bremer Arbeitlosenzeitung (BAZ). Burwitz macht darin unverblümt seiner „Stinkwut“ darüber Luft, Anträge an den DGB-Vorstand für eine verbesserte Arbeitslosen-Beratung „ständig für den Papierkorb“ zu schreiben. Wörtlich hatte Burwitz der BAZ erklärt: „Wenn ich bedenke, daß wir als Arbeitslose weder ordentliche Delegierte wählen dürfen
noch ein Rede-und Antragsrecht haben, fühle ich mich verarscht.“
Gewerkschafts-Insider haben allerdings noch eine zweite Erklärung für die Lustlosigkeit des Bremer DGB-Chef an einer gewerkschaftlichen Arbeitslosen-Vertretung - Heinz Möllers Lustlosigkeit an seinem eigenen Job.
In der Bremer DGB-Spitze geht man inzwischen fest davon aus, daß Heinz Möller nicht mehr antreten wird, wenn zum Jahresende ein neuer DGB-Chef gewählt wird. Vom DGB -Chefsessel plant Möller stattdessen den Sprung in die Geschäftsführung von Angestellten-oder Arbeiterkammer. Letztere hätte den Vorzug, daß ihr noch amtierender Geschäftsführer, Ingo Benoir, ohnehin pensioniert wird, erstere den Vorzug des größeren Etats, höherer Mitgliedszahlen und - mit
der Sozialakademie der Angestelltenkammer - der größten Bremer Weiterbildungseinrichtung.
Solange die eigenen Karrierepläne ungeklärt sind, will Möller sich mit der undankbaren und kostenträchtigen Aufgabe einer neuen Arbeitslosen-Vertretung im DGB offensichtlich keinen Ärger einhandeln. Denn in ihrem Zusammenhang könnte auch eine der in Bremer DGB-Kreisen am hitzigsten diskutierten Fragen neu auf die Tagesordnung kommen: Das Schicksal der beiden Kammern. Ausgerechnet bei der Arbeitslosen-Beratung zeichnet sich nämlich ab, was dem noch amtierenden DGB-Chef schon lange vorschwebt: Ihre Zusammenarbeit unter einheitlicher Leitung. Und die könnte für Heinz Möller nur einen Namen haben: Heinz Möller.
K.S.
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