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Post aus der Moderne

Paris, 10ter April 1792 (eigener Bericht) - Der deutsche Klavierbauer Tobias Schmidt hat heute dem Docteur Louis einen Kostenvoranschlag erstellt, der mit 960 Pfund deutlich unter dem des Zimmermanns Guidon bleibt. In der Tat hat Guidon die Einzigartigkeit des Auftrags dazu ausgenutzt, seine Rechnung auf zublähen zu

5.660 Pfund.

Allerdings

rechnete er mit

Eichenholz be

ster Qualität

(1.500 Pfund),

einer Treppe

von zwölf Stu

fen (200

Pfund), Gleit

rinnen aus ge

gossenem Kup

fer (300

Pfund), drei

Klingen (300

Pfund), Ar

beitskraft zu

1.200 Pfund. Letzteres sei, so betonte Guidon, notwendig, „um soweit wie möglich zu vermeiden, daß der großen Maschine Pannen passieren, und um das Funktionieren eben dieser zu beweisen“. Das Steuer-Ministerium lehnte den Voranschlag Guidons indes ab und erklärte: „Eines der Motive, mit denen der Herr Guidon seine Forderungen begründet, ist die Schwierigkeit, Arbeiter für Tätigkeiten zu finden, die durch ihre Vorurteile schockiert werden könnten. Diese Vorurteile gibt es tatsächlich; aber es haben sich Arbeiter gefunden, die bereit waren, für einen wesentlich geringeren Preis zu arbeiten, unter der Bedingung, der Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht zu werden.“ Der Auftrag wurde also an den deutschen Tobias Schmidt vergeben, und bereits nächste Woche sollen im Hof des Krankenhauses von Bicetre erste Versuche an Leichnamen unternommen werden, damit die Guillotine endlich in Betrieb genommen werden kann. 20.GERMINAL

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