Alles hängt von den Justizministern ab

Die heute stattfindende Konferenz ist die letzte Chance für eine Kompromißlösung im RAF-Hungerstreik  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

„Den Vorstoß eines einzelnen Länderchefs wird Niedersachsen nicht mitmachen“, sagte Ministerpräsident Ernst Albrecht am Samstag auf dem hannoverschen CDU-Bezirksparteitag. Er erteilte damit öffentlich der Initiave des Berliner Regierenden Bürgermeisters Walter Momper (SPD) eine Absage. Momper hatte in Briefen an Albrecht, Rau und Engholm für ein Angebot der drei SPD-Länder und Niedersachsen geworben, sich für ein Zusammenlegungsangebot an die Gefangenen im Hungerstreik starkzumachen. Albrecht hat damit seine Kompromißbereitschaft von der Haltung der übrigen CDU -Bundesländer abhängig gemacht, genauso wie die SPD-Länder für ein Angebot an die Gefangenen zumindest ein CDU-Land, nämlich Niedersachsen, dabeihaben wollten. Fünf Gruppen von je fünf Gefangenen, drei Gruppen von Frauen in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin, eine Gruppe von Männern in Niedersachsen und eine weitere in Hessen oder Baden-Würtemberg - solche Kompromißmodelle werden allerdings im niedersächsischen Justizministerium unter der Hand immer noch als „durchaus verhandlungsfähig“ bezeichnet. Notwendig für ein solches, alle 25 Strafgefangenen aus der RAF umfassendes Kompromißangebot sei jedoch auch die Zustimmung der Bundesländer Baden -Württemberg und Bayern, die bisher überhaupt nicht mitmachen würden, heißt es im Ministerium.

Der hannoversche Rechtsanwalt Dieter Adler jedenfalls hat die Hoffnung auf eine Kompromißlösung noch nicht aufgegeben. Auch wenn sie jetzt nur noch von der Justizministerkonferenz und damit über den bisherigen Verhandler Klaus Kinkel kommen kann. Um die Initiative von Kinkel allerdings ranken sich inzwischen dem Anwalt unangenehme Geheimdienstgerüchte.

Immer wieder fragen Journalisten jetzt bei Rechtsanwalt Adler an, ob die Gefangenen aus der RAF tatsächlich hinter den Kulissen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz verhandeln würden. „An dieser Behauptung ist natürlich nichts dran“, sagt der Anwalt, aber er kann auch erklären, wie diese Gerüchte entstanden sind. Anfang März, gut vier Wochen nach Beginn des Hungerstreiks, hat bei Adler als erster Verterter des Staates ein Herr „Benz“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz angerufen. Der Herr Benz, der unter dem gleichen Decknamen schon vor Jahren in einem 'Pflasterstrand'-Interview ohne Erfolg potentiellen RAF -Aussteigern ein Angebot gemacht hatte, deutete eigene Vorstellungen des Bundesamtes zu den Haftbedingungen an und wollte mit den Gefangenen im Hungerstreik reden.

„Dieses Angebot“, so sagt Rechtsanwalt Adler, „haben die Gefangenen kategorisch zurückgewiesen und jemand politisch Verantwortliches als Gesprächspartner verlangt.“ Rund zehn Tage später meldete sich dann Justizstaatssekretär Klaus Kinkel erstmals telefonisch bei dem hannoverschen Anwaltsbüro, dem Dieter Adler angehört. Der Staatssekretär im Bundesjustizministerium war sehr wohl über die Aktivitäten des Herrn Benz informiert und führte dann nach einem vorbereitenden Treffen mit einer Gruppe von Anwälten am 28.März jenes bisher einzige Gespräch in der JVA Aichach, über das Brigitte Mohnhaupt später schrieb: „Kinkel hat erklärt, sie werden die Zusammenlegung nicht machen, auch nicht, wenn es Tote gibt.“

Der Anwalt nennt auch die Vorstellung absurd, daß gerade der Hardliner und Ex-Geheimdienstler Kinkel von den Gefangenen als Gesprächspartner bevorzugt werde. Vielmehr ist es Kinkel gewesen, der in seiner impulsiven Art energisch gegen den Momper-Brief Front gemacht hat, da er aus unerfindlichen Gründen den Hungerstreik an diesem Wochenende bröckeln sah.

„Wenn es am Montag nicht zu einem Angebot kommt, dann wird in der nächsten Woche der erste Gefangene sterben“ - das steht für Rechtsanwalt Adler fest. Wenn allerdings ein Vorschlag auf dem Tisch liege, der eine Lösung für alle Gefangenen in Strafhaft umfasse und Verhandlungen darüber, was mit den jetzigen Untersuchungsgefangenen nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung geschehe, dann werde man nach Wegen suchen, wie Tote in der Zeit der Verhandlungen zu vermeiden seien, sagt der Anwalt. Die am längsten im Hungerstreik befindlichen Gefangenen, so kann man vermuten, könnten sich im Falle wirklicher Verhandlungen eine Zeitlang auf medizinischem Wege mit Nährstoffen versorgen lassen.