: Hör-Erfahrungen im Fluß installiert
■ Klang-Installationen in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst: Hans-Peter Kuhn und Ulrich Eller / Mahlender Stein, tanzende Muscheln: Künstlerischer Protest gegen die Wunderwelt der elektronisch erzeugten künstlichen Klänge
In dem langgestreckten Ausstellungsraum der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) liegen Flaschen, über tausend, leer und blitzblank gespült, Bordeaux. Dazwischen einige Neonröhren, die ein Strich-Menschchen ergeben, das Licht durchleuchtet einige der Flaschen, als lägen sie auf einem Kontrollband in der Cola-Fabrik. An der Decke sind Lautsprecher angebracht, aus denen ganz unterschiedliche Alltagsgeräusche plärren Hafenarbeit-Geräusche, Türklingeln, fließendes Wasser, unverständliche menschliche Sprach-Laute. „Im Fluß“ heißt diese Klang-Installation, die am Sonntag in der Weserburg eröffnet wurde.
Das Eröffnungspublikum unterhielt sich, einige übten zwischen den Flaschen hindurch zu balancieren - „das ist eigentlich eine meditative Sache“, sagt der Klang-Künstler Hans Peter Kuhn höflich. Aber dafür brauchte es eine Stille, die ein Eröffnungspublikum nicht zuläßt. Kuhn
kommt aus Berlin, hat für einige Theater-Stücke an der Schaubühne akustische Klangbilder gemacht. Die Flaschen sollen den Blick auf sich ziehen, sie erfüllen den großen Ausstellungsraum und ziehen die daherstolzierenden Zaungäste mitten hinein in den Garten der Klänge, die unvermittelt von oben auf die Betrachtenden niederkommen. „Wenn einer kommt, dann bleibt er auch zwei Stunden“, erklärt die GAK-Leiterin Barbara Claassen-Schmal zur Nutzung dieser Art von Klang -Installationen, die die GAK seit 1983 regelmäßig zeigt.
In den Nebenräumen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst demonstriert Ulrich Eller Material-Töne. Er hat einen Raum mit Lautsprechern ausgelegt, aus denen Gitarren-Töne dringen wollen, die aber jeweils durch aufgelegte Glasscheiben verklirren. Die Kabel zwischen den Lautsprechern geben ein verknotetes Bild.
Eller läßt in einem anderen
Raum („Mein kleiner Zen-Garten“) die Mahl-Geräusche von Kieselsteinen resonnieren, kleine Schneckenhäuschen tanzen bei „Werkstudie in Schneckengesängen“ prasselnd auf den Schwingungen einer von unten beschallten Trommel. Klang -Installationen sind eine Kunstform zwi
schen den Stühlen. „Ortlos“, wie die Ausstellungs-Leiterin Claasen-Schmal das nannte, sperren sie sich gegen die Sparten. Die in der Weserburg aufgebauten Versuche sind gleichzeitig ein künstlerischer Protest gegen die Wunderwelt der elektronisch erzeugten künstlichen Klänge.
Mit einer „Performance“ zur Eröffnung brachte Kuhn das auf den Punkt. Unter der Überschrift „Man kann eine Nadel fallen hören“ setzte er sich still vor das Eröffnungspublikum, blickte etwas ungehalten hinter störenden menschlichen Geräuschen - Klacken der Stöckelschuhe, Nie
sen, eine Bohrmaschine vom Stockwerk darüber, schlurfende Schritte - und in dem immer aufmerksamer und neugieriger werdenden Blick des Theater-Mannes realisierten die Zuschauer schließlich, daß ihre Stör-Geräusch das eigentliche Ereignis der Klang-Performance sind. Bis schließlich, ganz still konnte es nicht werden, Kuhn die Nadel aus seinem Jacket zog und - kling - fallen ließ.
K.W.
GAK, Teerhof 20 D (Weserburg), geöffnet Di-Do 10-13, 14-18 Uhr; Fr. 14-21 Uhr, Sa+So 11-16 Uhr. Bis 30. April
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen