Frauen sind 'anders‘

■ Auf Einladung des Bremer Frauenbuchladens „Hagazussa“ stellten drei Mailänder Feministinnen ihr Buch und Ideen für eine neue politische Praxis vor

Offensichtlich entsprechen die Frauen vom Mailänder Frauenbuchladen mit ihrem Buch „Wie weibliche Freiheit entsteht“ einem großen Bedürfnis auch bundesdeutscher Feministinnen, die politischen Erfahrungen der Frauenbewegung der letzten 20 Jahre in einem theoretischen Begriffssystem zu verarbeiten. Jedenfalls sprachen Traudel Sattler (die die schwierige Aufgabe der Vermittlung und Übersetzung übernommen hatte), Grazia Campari und Laura Balestrine am Sonntag abend vor übervollem Saal im Kubo.

In ihrer Reflexion der eigenen politischen Praxis (Arbeit in Selbsterfahrungsgrupen, Anti-Vergewaltigungs- und Abtreibungskampagnen, Projektbewegung) haben die Mailänderinnen Begriffe geprägt und für radikale Neuanstöße der Debatte gesorgt.

Die zentrale Vertrauensgrund lage der Selbsterfahrungsgruppen - du bist wie ich, ich bin wie du - führt ihrer Meinung nach in die Sackgasse, weil sie die tatsächliche Ungleichheit zwischen Frauen (in ihren Lebensentwürfen, Zielen und Möglichkeiten) überdeckt.

Erst durch das Anerkennen und Benennen der Unterschiedlichkeit können „bedeutsame Beziehungen“ zwischen Frauen entstehen. „Affidamento“ heißt, sich einer anderen Frau, die mehr weiß, anzuvertrauen, sie als Instanz von Beurteilung und Verteidigung zu akzeptieren, sie als Maßstab und Vermittlerin zur Welt anzunehmen. Diese Form der Beziehung haben Frauen in der Geschichte, wenn überhaupt, vorwiegend auf der privaten Ebene der persönlichen Freundschaft realisiert - sie jetzt zu be

nennen und damit gesellschaftlich sichtbar und weniger leicht zerstörbar zu machen, ist eine der zentralen Strategien der Mailänderinnen.

Gegen eine Politik der Gleichstellung, die eine Angleichung von Frauen an Systeme und Symbole von Männern bedeutet, setzen sie die „sexuelle Differenz“, die grundsätzliche Andersartigkeit von Frauen, die erst in der Beziehung zu anderen Frauen Gestalt bekommt.

Deshalb schadet es den Frauen mehr, als daß es ihnen nützt, wenn sie versuchen, in die staatliche Gesetzgenung einzugreifen. Die Mailänderinnen setzen dieser „Politik der Forderungen“ ihre eigene Praxis entgegen, die im juristischen Bereich bedeutet, „subversive“ Beziehungen zwischen Anwältinnen und Mandantinnen zu entwickeln, wodurch

öffentlich demonstriert wird, daß die Frauen nicht an die scheinbare Geschlechtsneutralität des Gesetzes glauben.

Viele Fragen etwa danach, warum die Mailänderinnen einen so krassen Widerspruch und nicht eine Ergänzung oder Erweiterung zwischen der „Politik der Forderungen“ und der „Strategie der sexuellen Differenz“ sehen, blieben ungestellt oder unbeantwortet. Trotzdem oder gerade deswegen bringt die Arbeit der Italienerinnen wichtige Impulse in unsere Debatte. In diesem Sinne, nicht als Handlungsvorschrift, sollten wir das Buch lesen und diskutieren - ich jedenfalls werde das jetzt tun. Andrea Schweer

„Wie weibliche Freiheit entsteht“, von Libreria delle Donne di Milano, Orlanda Frauenbuchverlag, 29,80 Mark.