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Fücks Hinterlassenschaft verteilt

■ Grüne berieten in Klausur über neue Aufgabenverteilung nach dem Abgang ihres Politstars Paul Tiefenbach neuer Fraktionssprecher / Frehe sieht Abgeordnete 1.- 3. Klasse

Vorbei die Zeiten, da die Grüne Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft ganz zweifelsfrei wußte, wer über fast alles was zu sagen hat und das auch noch durchaus eindrucksvoll: Ralf Fücks, nach Bonn emigrierter Politstar der Fraktion wird unwiderruflich in der kommenden Woche zum letzten Mal auf seinem Abgeordneten-Stuhl Platz nehmen. Am Montag setzte sich die Fraktion in Klausur zusammen, um das umfangreiche Fücks-Erbe zu verteilen, und diesmal, beim dritten Anlauf klappte es.

„Die Diskussion war eine Ecke offener als sonst“, fand Paul Tiefenbach und wußte auch einen Grund dafür: Fücks selbst war nämlich wegen Bundesvorstandssitzung unabkömmlich. Ganz so offen, wie sich der Abgeordnete Horst Frehe das gewünscht hätte, dann aber doch nicht. Frehe hatte vorgeschlagen, daß über die gesamte Aufgabenverteilung neu diskutiert werden solle. Die Arbeit sei ungleichmäßig verteilt.

Wenn das Fücks-Erbe auf nur zwei Abgeordnete verteilt werde, bestünde die Gefahr, daß Abgeordnete erster, zweiter und dritter Klasse entstehen. Doch von solchen Grundsatzdiskussionen mochten die anderen Abgeordneten, die sich nach eineinhalb Jahren Parlamentsarbeit gerade in ihren Bereichen eingearbeitet fühlen, nichts wissen. Und so meinte Frehe nach der Diskussion: „Einen Neuanfang haben wir nicht geschafft. Aufbruchstimmung sehe ich nicht.“

„Gedämpfte Aufbruchstimmung“ hat dagegen Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich ausgemacht. Er hatte das vorgeschlagen, was Frehe nicht wollte. Die zentralen Arbeitsbereiche von Fücks bearbeiten jetzt nur zwei Abgeordnete, nämlich Paul Tiefenbach und Manfred Schramm. Ersterer muß, ein bißchen gegen seinen Willen, in die häufig tagende, arbeitsintensive Finanzdeputation, und Schramm darf neben Häfen-, künftig auch

Wirtschaftspolitik machen. Zum neuen Fraktionssprecher wurde Paul Tiefenbach gewählt, der sich als einziger zur Kandidatur bereitfand. Für Nachrückerin Anny Ahrens dagegen fand sich keine Deputation. Sie darf im Petitionsausschuß Bürgerbeschwerden behandeln, sich um Ernährungsfragen und Atomenergie kümmern.

Bis die Neue auf Fücks‘ Parlamentsstuhl Platz nehmen darf, muß sie sich noch zwei Sitzungstage gedulden. Der Alt -Abgeordnete hat es sich vorbehalten, sich erst nach dem ersten Sitzungstag des Landtages zu verabschieden. „Der will den Abschied genießen“, sagt ein Fraktionsmitglied. Doch das bringt für die Fraktion auch Vorteile. Als sich am Montag niemand bereitfand, in der Stadtbürgerschaft zum Thema „Bilinguales Gymnasium“ zu reden, waren alle froh, daß da einer ist, der auch dazu was zu sagen weiß. Fücks wurde prompt in Abwesenheit zwangsverpflichtet.

hbk

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