: Trauer in Georgiens Hauptstadt 'Prawda‘ attackiert „Nationalisten“
Moskau (afp/ap) - Während in der Sowjetrepublik Georgien und der Hauptstadt Tiflis gestern um die Opfer der vergangenen Tage getrauert wurde, verurteilte die Parteizeitung 'Prawda‘ in ihrem Leitartikel die zunehmenden „nationalistischen Demonstrationen“ in der UdSSR. Unterdessen hat der sowjetische Außenminister und frühere georgische Psarteichef Schewardnadse vor Ort Kontakt mit Intellektuellen und der Bevölkerung aufgenommen. Die Zahl der Todesopfer wird inzwischen von offiziellen Stellen mit 19 angegeben.
Die Kundgebungen in Georgien nehmen nach Ansicht der 'Prawda‘ mehr und mehr „antisowjetische und antisozialistische Töne“ an. Das Zentralorgan der KPdSU verurteilte „Extremisten und Nationalisten, die ihr wahres Gesicht hinter der Maske eines Engagements für die Perestroika verstecken“. Diese Personen hätten die Ereignisse in Armenien und in Aserbaidschan sowie die nationalistischen Demonstrationen in den baltischen Republiken, Moldavien und anderswo „auf dem Gewissen“. Jetzt würden sie in Georgien Zwietracht säen, schrieb die 'Prawda‘. Diese antisowjetischen Bestrebungen mit Perestroika und Glasnost decken zu wollen, sei „mindestens ein Sakrileg“ und eine „Verletzung der sozialistischen Legalität“, mit der die „Fundamente der Gesellschaft untergraben“ werden sollten.
Die Zeitung der Parteijugend, 'Komsomolskaja Prawda‘, veröffentlichte am Dienstag einen kurzen Artikel über die Lage in Tiflis am Vortag. Schwarze Fahnen wehten in der Stadt, viele Menschen trugen schwarze Schleifen am Arm, hieß es. Auch in georgischen Provinzstädten wie Rustawi, Telawi, Kutaissi sei die Lage gespannt; die Einwohner seien über die „tragischen Ereignisse“ von Tiflis besorgt.
Gestern wurde in Moskau auch ein Exemplar der georgischen Parteizeitung 'Zaria Wostoka‘ vom Sonntag bekannt. Darin wurden die Parteikader und -organe zur „Zurückhaltung und Geduld“ aufgerufen. Es sei noch Zeit, um „eine dramatische Entwicklung zu verhindern“. Dieser Aufruf kam jedoch einige Stunden zu spät, die blutigen Zusammenstöße hatten sich bereits ereignet.
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