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Im Banne des Brillanten

■ Bremer Justiz richtete einen der ihren / Vier Monate mit Bewährung für untreuen Angestellten / Er hatte einen prächtigen Stein erst schlecht gemacht, dann billig ersteigert

Es war ein kluger Plan, aber ein Anruf bei der Staatsanwaltschaft ließ ihn zusammenstürzen wie ein Kartenhaus. Ein Angestellter der Behörde hätte einen Brillanten ersteigert, teilte der Anrufer mit. Der Preis sei extrem günstig gewesen, weil der Stein in den Papieren quasi als unecht deklariert gewesen sei. Ob denn da alles mit rechten Dingen zugehe. Der Stein stamme doch aus der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft, und der glückliche Besitzer des edlen Geschmeides, ob das nicht der Verwalter der Asservate sei?

Er wars und saß deswegen gestern auf der Anklagebank. Die Bremer Justiz hatte über einen der ihren zu befinden, wenn auch von den unteren Rängen. Auf den Fluren der Bremer Gerichte war der 43jährige Heinz-Peter P. Bekannt und bei seinen Vorgesetzten gut angesehen. Von Beruf eigentlich Schlosser, hat er sich schon als junger Mann nach Jobs bei Recht und Ordnung umgesehen. Da habe es nahegelegen, zur Justiz zu

gehen, sagte er gestern.Bei der Bremer Staatsanwaltschaft habe er, so sein Verteidiger, das Asservatenwesen in ordentliche Form gebracht.

Er saß also an der Quelle. Was ihm im Juli des vergangenen Jahres ins Auge stach, war ein etwa fingernagelgroßer Brillant von 2,8 Karat, den die Kripo schon sechs Jahre zuvor bei einem Hehler beschlagnahmt hatte. Wer der rechtmäßige Eigentümer war, konnte sie nicht mehr feststellen. Deswegen sollte der Stein jetzt versteigert werden, zu Gunsten der Bremer Staatskasse.

Der Mann wußte, daß der Brillant von einem Juwelier auf einen Verkaufswert von nicht weniger als 47.000 Mark geschätzt worden war. Ehe das edle Stück nun zur Auktion ging, trug er in die Begleitpapiere den Vermerk „echt“ ein, setzte dahinter jedoch ein Fragezeichen. Diese schlichte Interpunktion entschied über den Preis: Kundschaft und Versteigerer glaubten, daß die Staatsanwaltschaft selbst den Stein für ein billiges Imitat halte. Das Publikum zeigte kaum Interesse. Nur einer gab seine Gebote ohne jedes Zögern ab: der Angeklagte. Schon bei 1.600 Mark erhielt er den Zuschlag. Allein: Er war beobachtet worden. Unter den regelmäßigen Besuchern der Auktionen, unter den kleinen Händlern und Vermittlern, gibt es eben schnelle Köpfe. Das muß Heinz-Peter übersehen haben.

Seiner eigenen Aussage nach verkaufte er das edle Geschmeide noch an Ort und Stelle weiter, an

einen unbekannten Mann und für lumpige 2.500 Mark. Den Käufer, der also das Geschäft gemacht haben muß, hat er nie wiedergesehen, obwohl er sogar mit Zeitungsannoncen suchte. Ob es diesen Mann wirklich gegeben hat, so Staatsanwalt Joachim Grziwa, „das kann man glauben oder nicht“. Auch das edle Geschmeide blieb verschwunden.

In der Voruntersuchung leugnete er; gestern suchte Heinz -Peter P. sein Heil in einem vollen Geständnis. Seine ehemaligen Vorgesetzten von der Staatsanwaltschaft warens zufrieden. Auch Richter Dieter Nordhausen schloß sich deren Vorschlag an: Vier Monate Gefängnis, auf Bewährung, außerdem 1.000 Mark

Geldbuße an den „Weißen Ring“. Eine „Gratwanderung“ sei dieses Urteil gewesen, sagte Richter Nordhausen in seiner Begründung. So einen Angeklagten könne man entweder zu milde bestrafen, weil er „aus dem eigenen Stall“ komme, oder - aus dem gleichen Grund - zu streng.

Mit der Strafe von gestern ist es für Heinz-Peter P. Nicht getan: Das Land Bremen will für die vermasselte Versteigerung 6.000 Mark Schadensersatz haben. Und seinen Job bei der Staatsanwaltschaft ist Heinz-Peter P. auch los. Staatsdiener darf er jedoch bleiben. In der Geschäftsstelle des Bremer Sozialgerichts.

mw

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