: Hype-Suche im Jazzklang
■ Das James Taylor Quartett im Römer / Acid-Jazz als runderneuerte Gummireifen Alte Musik unter neuem Etikett verkauft sich besser als umgekehrt
Jazz-Musik wird gespielt von Jazz-Musikern, die sich seit dem Überfall durch die elektronischen Medien wenig für die Welt interessieren, die verdächtig nach Geld und Erfolg duftet. Jazz-Musiker sind so gesehen konservativ, was meint, sie pflegen ein unmodernes Ethos der Street-Credibility und Unkorrumpierbarkeit - sie sind also langweilig, für den Hype -Jäger zumindest.
Um seinen Plan doch verfolgen zu können, sucht der Hype -Digger nach Besonderheiten unter den Jazz-Musikanten, die auch dem jazzunverständigen Normpublikum zu vermitteln sind. Also stößt er zuerst auf „Sade Adu“, die ihren Zopf besonders raffiniert flicht, und heutzutage stößt er auf James Taylor (den anderen) einen leicht angegrauten Mister von 25 Jahren, der seit Jahr und Tag eine Hammond-Orgel besitzt und sie liebt wie der Ehemann seine Ehefrau, heute noch, runde 20 Jahre nachdem die Hammond-Orgel definitiv für verstaubt erklärt wurde.
Als findiger Promoter erfindet unser Hype-Sucher ein passendes Etikett, das er seinem Fund anklebt und schon ist die neueste Welle im Jazz erfunden, nennen wir sie Popjazz wie vor einigen Jahren, nennen wir sie Acid-Jazz wie heutzutage und in den Gazetten ersinnt man Formulierungen, die die Neuigkeit feiern und der Jazz darf sogar einmal in den hipgradsicheren Räumen des „Römer„ anklingen.
Dortselbst versammelte sich eine beträchtliche Anzahl Jazz
musik- interessierter um sich vom typischen Sound des James Taylor Quartett in vergangene Erinnerungen führen zu lassen. Über einen straight groovenden Beat, lebendig vorangetragen von Bassist Alan Crockford und Ex-Style Council-Drummer Steve White, in den sich fein und unauffällig Mr. Taylor's Gitarristenbruder David einfügt, setzt Mr. Taylor persönlich seine Akzente mit der Hammond-Orgel, einem Instrument, das auf nur eine Klangfarbe festgelegt ist, die heutzutage keiner mehr spielt, und James Taylor hat nur sie. So röhrt er also dazwischen, ganz im Stil der 60er Jahre: ein bißchen Animals, ein bißchen Doors, ein bißchen Brian Auger, und gibt der Vorführung seine persönliche Note. Starr ist der Arrangement-Rahmen, der den Improvisationen der Solisten unterlegt ist: abgezählte Taktzah
len, auch wenn das harmonische Konzept einfacher Modalität zum Spiel gemeinsamer Interaktion mit offenem Ausgang einlädt. Soviel Persönlichkeitskult ist nicht gewünscht in dieser Musik, die sich darauf beschränkt, so zu klingen wie Jazz und ansonsten für eine Weile auf einer Welle von Interesse zu schwimmen.
British kühl und so pünktlich wie Big Ben sah das James Taylor Quartett, das sich durch einen Saxofonisten (ts, bs) verstärkt hatte, nach exakt einer Stunde die seine gekommen. Gut kalkuliert hatten sie rechtzeitig das letzte Stück eingeläutet, um noch zur Zeit die Zugaben zu absolvieren und auf den geilen „Acid-Jazz-Tanzabend“ im Shave zu verweisen. Das war ja immerhin ein Angebot, auf das nicht eingegangen zu sein, ich mir heute noch nicht wieder verziehen habe. ste
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