: Unterm Campanile
Daniel Cohn-Bendit erklärt, was er als Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt tun will ■ I N T E R V I E W
taz: Dany, was ist ein multikulturelles Dezernat? Was wirst du da machen?
Daniel Cohn-Bendit: Das kann ich nicht so einfach sagen. Wenn man den Rassismus, also die Ängste der Menschen angehen will, dann gibt es keine monokausalen Antworten. Das spielt in alle Lebensbereiche wie Wohnung, Schule und Arbeit, hinein. Ich glaube nicht, daß man den Rassismus mit Sozialmaßnahmen bekämpfen kann. Dies Bündel von Angst gibt es bei den Menschen schon seit Jahren. Dem kann ich nur mit positiven emotionalen Maßnahmen entgegenwirken.
Mach das mal an einem Beispiel fest.
Zum Beispiel der Campanile. Da wird ein Hochhaus im Bahnhofs-, im Gutleutviertel gebaut. Das ist ein Viertel ich sag jetzt mal ein schreckliches Wort - mit einem hohen Absorbationsvermögen für Ausländer. Das Hochhaus verändert das Viertel, die Leute wandern ab, es entsteht ein Sog in andere Stadtteile. Da möchte ich mich schon bei der Planung einmischen. Ein positives Beispiel ist die Piazza, der Basar, den die Deutschen im Süden so toll finden. Den möchte ich als Begegnungsstätte in die Stadtteile bringen. Wir haben in Frankfurt keine ethnischen Gettos. Ich will, daß sich die Vielfältigkeit im Alltag positiv ausdrückt. Ich nenne das multikulturellen Urbanismus.
Quer durch alle Dezernate?
Ich will denen ja nichts wegnehmen. Aber zur Einweihung der mit dem Planungsamt entwickelten Piazza würde ich gern mit dem Kulturdezernat eine große Einweihungsfeier machen mit Stars aus der Türkei, Jugoslawien und meinetwegen Gianna Nanini. Mit dem Sport- und Badeamt will ich zusammenarbeiten. Sport ist ja, so lächerlich das klingt, der multikulturelle Austragungsort von Feindschaften und Feinbildern. Ich will in die Schulen gehen - und zwar mit Eltern und Kindern. Ich will auch in die Stadtteile mit hoher NPD-Wählerschaft gehen. Ich weiß, daß es am Anfang schwer wird, gegen die völlige Sprachlosigkeit anzugehen. In Italien hat 'Radio Populare‘ in Mailand eine Telefondiskussion mit Faschisten und Linksradikalen aus den gleichen Stadtvierteln gemacht. Das kann man hier vielleicht mit dem 'HR‘. Am Telefon reden die Leute erst mal leichter, als wenn sie persönlich auftreten müssen.
Arbeitest du auch als Ausländerbeauftragter?
Das fließt in dieses Amt mit ein, die Arbeit für Asylbewerber und Aussiedler, vor allem auch für die Kinder -Asylanten. Wir wollen, daß jeder der Ortsbeiräte einen Ausländerbeauftragten stellt. Und das klappt; die sind ja bis auf zwei alle rot-grün. Das Amt soll eine Sammelstelle sein. Ich will auch, daß es eine Beschwerdestelle ist. Aber das muß auch aus den Stadtteilen kommen. Ich glaube nicht, daß man positives multikulturelles Leben von oben verordnen kann. Es ist ja auch nur ein kleines Amt mit 30 bis 40 Leuten.
Glaubt du, daß du als Chef eines Amtes der Richtige bist?
Ich bin ja nur der ehrenamtliche Dezernent. Chefin ist die Amtsleiterin, die ich bekommen werde. Ich bin nur verantwortlich, der spiritus rector, sozusagen wieder der Herausgeber. Was daraus wird hängt vor allem, wie bei den ersten Frauenbeauftragten, von unserer Initiative und von unserer sozialen Phantasie ab.
Interview: Heide Platen
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