piwik no script img

Teurer Fußball ohne Tore

■ Sport als Mittel zur Integration? Im bayerischen Kipfenberg werden einem türkischen Fußballverein jede Menge Schwierigkeiten bereitet / Der Bürgermeister sieht keine Probleme

München (taz) - Der türkische Arbeiter Mehir Baykiran lebt seit 21 Jahren in der Bundesrepublik. In Nürnberg und Fürth baute er mit Landleuten türkische Sport- und Kulturvereine auf, ohne große Probleme. Das änderte sich, als Baykiran vor drei Jahren nach Kipfenberg bei Denkendorf zog. Auch hier wurde ein Sportverein gegründet: der türkische Fußballclub SC Kipfenberg.

Doch die Miglieder des alteingesessenen VfB Kipfenberg machen den türkischen Sportlern das Leben schwer. Auf dem Sportgelände der Gemeinde, wo zuvor der VfB allein das Sagen hatte, zog auch der neuentstandene SC. Der hatte einen Pachtvertrag mit der Gemeinde unterschrieben, der die Benutzung zweier Fußballplätze ebenso umfaßt wie die von Umkleidekabinen, Duschen und WCs.

Der sportliche Alltag sieht für die Kicker des SC allerdings anders aus. Als Zugang für lediglich einen Umkleideraum wurde in die Außenwand eine extra Tür eingesetzt. „Auf die Toiletten dürfen wir nicht“, klagt Mehir Baykiran, „der Teil des Hauses ist mit einer Alarmanlage gesichert.“ Auch das Vereinslokal ist für seinen Klub nicht zugänglich.

Als besondere Schikane hat Johann Harrer, der Voritzende des VfB, vor Punktspielen des SC einfach die Tore abmontieren lassen und mit Stahlseilen gesichert. Vor Zeugen sagte er: „Die Türken kommen nicht auf meinen Sportplatz.“ Daß beim letzten mal doch gespielt werden konnte, ist dem 2.Bürgermeister Kipfenbergs zu verdanken, der mit Gemeidearbeitern und Werkzeug anrückte und die Tore wieder aufbauen ließ.

Für die Nutzung der Anlage, deren Kosten anteilig übernommen weren sollen, steht den 28 Mitgliedern des SC jetzt eine saftige Rechnung ins Haus: 4.110 Mark und 69 Pfennige sollen sie berappen; für ganze 11 Punktspiele, die 1988 absolviert wurden. Im Preis inbegriffen sind die Alarmanlage und der großzügige Ausbau der VFB-Kantine. Auch an der Stromrechnung für das Flutlicht, das sie nie benutzen dürfen, sollen sie sich beteiligen. (Den größten Posten machen die Installationsarbeiten, erledigt von der Firma des Vorsitzenden Johann Harrer.)

Jetzt kommt die Sache vor den Kadi: Rechtsbeistand Wolfgang Weinschütz („Soll sich die Gastmannschaft im Auto umziehen?“) will mit einer Feststellungsklage beim Landgericht Ingolstadt die Rechte ds türkischen Vereins klären lassen; außerdem will er beim Sportgericht erwirken, daß dem VfBler Johann Harrer künftig Funktionärstätigkeiten nicht mehr erlaubt werden. Derweil findet Kipfenbergs Bürgermeister Christian Weiß die Zustände auf dem Sportplatz ganz normal: „Keine Probleme.“

Nicole Unruh/Gregor Kursell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen