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Eier mit Schinken

England Clubs auf der Türschwelle des europäischen Fußballs  ■  PRESS-SCHLAG

Fast vier Jahre nach jenem verhängnisvollen 29.Mai 1985, als beim Europapokalendspiel Juventus Turin - FC Liverpool britische Fans im Brüsseler Heysel-Stadion Amok liefen und 39 Menschen ums Leben kamen, weht dem britischen Fußball plötzlich ein sanfter Wind vom Kontinent entgegen. Das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) beschloß einstimmig, die seit damals von den europäischen Pokalwettbewerben ausgeschlossenen Briten ab 1990/91 wieder mitspielen zu lassen.

Eine Entscheidung, die fast überall auf einhellige Zustimmung stieß. Wie „Eier ohne Schinken“ sei der Fußball ohne die Engländer gewesen, behauptet keck die 'Liberation‘, als „Bereicherung des europäischen Fußballs“ bezeichnet Bayern-Präsident Scherer die Engländer, Berti Vogts findet die Entscheidung „hundertprozentig richtig“ und die 'L'Equipe‘ phantasiert, als habe es die peinlichen Darbietungen der englischen Nationalelf bei der EM nie gegeben, munter vor sich hin: „Man kann ruhig zugeben, daß ohne die Engländer, ohne ihr starkes Engagement, ohne ihr Fair-Play und vor allem ohne ihr Talent etwas gefehlt hat.“

Licht am Ende des Tunnels“ meint Verbandspräsident Graham Kelly zu sichten, aber zum endgültigen Durchbruch fehlt noch die Zustimmung der englischen Regierung. Deren Sportminister Moynihan meinte immerhin: „Ich freue mich über die UEFA -Entscheidung.“ Das hatte vor wenigen Monaten noch ganz anders geklungen. Damals benahmen sich britische Fans bei der Europameisterschaft in der Bundesrepublik so schlecht, daß selbiger Moynihan entschieden vor einer Wiederzulassung der englischen Clubs warnte. Die 'Times‘ befand damals sogar: „Großbritannien wird weltweit als wenig mehr denn ein Zoo gefährlicher Tiere betrachtet, die auf unschuldige Einwohner ausländischer Städte losgelassen werden.“

Die ausländischen Städte jedoch scheinen für die UEFA neuerdings das geringste Problem zu sein. Sie begründete ihre Entscheidung merkwürdigerweise mit den großen Anstrengungen, die in England für die Sicherheit in den Stadien unternommen worden seien. Im Zentrum dieser „Anstrengungen“ steht vor allem Margaret Thatchers umstrittenes Lieblingsprojekt: die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliedskarte für Stadionbesucher. Und die wurde kürzlich im Oberhaus erstmal mit 124:121 Stimmen abgeschmettert. Moynihan machte deutlich, daß ohne Ausweispflicht an eine Zustimmung der britischen Regierung zum europäischen Comeback nicht zu denken sei.

Völlig ungeklärt ist, wie das Wundermittel „Ausweispflicht“ die ausschwärmenden Nachfahren des britischen Empire eigentlich daran hindern soll, in jahrhundertelang erprobter Manier die Welt zu vandalisieren.

Als Nagelprobe für die gute Führung der britischen Fans wird nach allgemeiner Ansicht die Weltmeisterschaft 1990 in Italien herhalten müssen. Die Sache hat bloß einen Haken: Die Mannschaft muß sich erstmal qualifizieren. In der Gruppe 2 hat sie es mit Polen, Albanien und Schweden zu tun, nur der Erste kommt sicher weiter, und gegen die Skandinavier haben die Briten zu Hause bereits einen Punkt eingebüßt. Gut möglich, daß Eier und Schinken in Italien auch weiterhin den „Spaghetti Carbonara“ vorbehalten bleiben.

Matti

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